Betrug und Korruption im Gesundheitswesen: AOK holt Beitragsgelder nach millionenschweren Schäden zurück
Obwohl der Pflegedienst an diesem Tag nicht zu der pflegebedürftigen Person kam, ist der Besuch auf dem Leistungsnachweis vermerkt und soll nun abgezeichnet werden. Solche oder ähnliche Erfahrungen machen Versicherte immer wieder. Viele von ihnen melden sich dann bei der AOK Sachsen-Anhalt und erklären, dass ihnen oder ihren Angehörigen bei der pflegerischen, ärztlichen oder medizinischen Versorgung etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Hinweise kommen aber auch von Beschäftigten von Pflegediensten, Arzt- oder Therapiepraxen, von Ermittlungsbehörden, AOK-Mitarbeitenden, anderen Krankenkassen oder dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.
AOK mit eigener Ermittlungsgruppe
Die Kranken- und Pflegekassen nehmen diese Hinweise sehr ernst: „Abrechnungsbetrug, Fehlverhalten und Korruption im Gesundheitswesen führen dazu, dass die Beitragsgelder nicht für die Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen zur Verfügung stehen“, sagt Anna Mahler, Pressesprecherin bei der AOK Sachsen-Anhalt. Einen Generalverdacht will sie keinesfalls aussprechen: „Die Mehrzahl der Vertragspartner und Leistungserbringer im Gesundheitswesen rechnet korrekt ab. Und nicht immer handelt es sich bei fehlerhaften Abrechnungen um Betrug“, so Mahler.
Erhärtet sich der Verdacht auf strafrechtlich relevantes Verhalten wird in der AOK Sachsen-Anhalt die Ermittlungsgruppe „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ aktiv. Sie steht im engen Austausch mit anderen Krankenkassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und den staatlichen Ermittlungsbehörden. Bestätigt sich der Verdacht, wird Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.
Die mit Abstand meisten Betrugsfälle werden in der Pflege begangen. Meist handelt es sich um die Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen, nicht schlüssigen Zeitangaben oder Unterschriften auf Blankoformularen. Oder es wird festgestellt, dass nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt, dieses aber bei der Kasse als Fachkraft abgerechnet wurde.
Jährliche Schäden im hohen sechsstelligen Bereich
Die Ermittlungsgruppe Fehlverhalten der AOK Sachsen-Anhalt hat jetzt ihren Bericht für die Jahre 2022 und 2023 vorgelegt. Demnach wurden in diesem Zeitraum knapp 320 Verdachtsfälle bearbeitet. Davon konnten 144 Fälle abgeschlossen werden. Durch Gerichtsverfahren oder Vereinbarungen zur Schadensregulierung sicherte sich die AOK rund 600.000 Euro bei einem entstandenen Schaden von rund 820.000,00 EUR. Im Jahr 2020/2021 waren es dagegen rund 990.000 Euro bei einer Schadenssumme von etwas mehr als einer Million Euro. „Gründe für den Rückgang könnten beispielsweise die nun wieder verstärkt aufgenommenen Kontrollen nach der Corona-Pandemie sein. Außerdem sind im aktuellen Berichtszeitraum mehr Hinweise eingegangen. Gut möglich, dass sich diese erhöhte Aufmerksamkeit auf das Geschehen auswirkt“, sagt Anna Mahler. Insgesamt bewegen sich die festgestellten Schäden für die AOK Sachsen-Anhalt jährlich im hohen sechsstelligen Bereich.
AOK Sachsen-Anhalt sieht Handlungsbedarf
Um noch konsequenter gegen jede Art von Fehlverhalten im Gesundheitswesen vorgehen zu können, wäre aus Sicht der AOK Sachsen-Anhalt eine weitere Spezialisierung innerhalb der Strafverfolgungsbehörden wünschenswert. „Die Materie ist sehr komplex. Wir bräuchten eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für das Gesundheitswesen, wie es sie in Bayern oder Brandenburg gibt. Polizei und Staatsanwaltschaften sollten mit Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet verstärkt werden“, erklärt Anna Mahler. „Wir begrüßen daher ausdrücklich die Äußerungen der Generalstaatsanwältin des Landes Sachsen-Anhalt, Heike Geyer, die bei ihrem Amtsantritt eine Verstärkung und eine Zentralisierung der Ermittlungsarbeit zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen überlegt hatte.
Was kann jeder Einzelne selbst tun?
Am besten ist es, immer sehr wachsam zu sein und darauf zu achten, dass das Vereinbarte auch eingehalten wird. Versicherte sollten keine leeren Formulare unterschreiben. „Insgesamt stellen wir immer wieder fest, dass viele Menschen viel zu unkritisch unterschreiben. Beim Unterschreiben der Leistungsnachweise sollte man darauf achten, dass die aufgezählten Besuche tatsächlich stattgefunden haben und die aufgeführten Leistungen in der angegebenen Zeit auch vollständig erbracht wurden. Wird angeboten, dass der Dienst das später für sie erledigen würde, sollten Versicherte ablehnen“, rät Mahler.
Bei Auffälligkeiten oder Anzeichen von Betrug können sich Versicherte an die AOK wenden: Am besten direkt über die E-Mailadresse ermittlungsgruppe.fehlverhalten@san.aok.de oder über ein Formular auf der AOK-Internetseite https://www.deine-gesundheitswelt.de/fehlverhalten .
Selbstverständlich wird auch anonym gegebenen Hinweisen nachgegangen. Allerdings wäre eine Möglichkeit für Nachfragen der Ermittlungsgruppe sehr hilfreich.
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