Problem für Umwelt und Gesundheit: Verbände und NGOs fordern baldiges Ende für Amalgam-Füllungen
Bundesregierung soll nach dem Vorbild anderer Länder ein Verbot beschließenDie EU Medizinprodukte-Verordnung war aufgrund des Brustimplantate-Skandals von 2012 übererarbeitet worden. Damals kamen zahlreiche Frauen durch Implantate mit Handwerker-Silikon zu Schaden. Ab heute müssen Medizinprodukte deutlich schärfere Zulassungsbedingungen erfüllen und alte Zertifikate bleiben nur noch bis spätestens zum 26. Mai 2025 gültig.
Auch bei Zahnfüllungen muss jetzt genau nachgewiesen werden, welche Menge an schädlichen Stoffen über den gesamten Lebenszeitraum freigesetzt werden können. Amalgamfüllungen mussten diese Anforderung bisher nicht erfüllen und könnten daher vom Markt verschwinden. Doch ist nicht auszuschließen, dass sie eine Sonderzulassung bekommen.
„Die Freisetzung des hochgiftigen Quecksilbers hängt von zahlreichen Faktoren, wie der Verarbeitung und dem Alter der Füllung, vom Zähneknirschen oder Trinken von heißen Getränken ab. Besonders Quecksilberdampf wird vom Körper aufgenommen und gespeichert. Für vulnerable Personen kann ein Risiko nicht ausgeschlossen werden“ so Reinhard Lauer, Vorsitzender des Bundesverbands der Beratungsstellen für Umweltgifte.
Gefahren auch für zahnmedizinisches Personal
Auch Sylvia Gabel, Referatsleiterin Zahnmedizin, des Verbands medizinscher Fachangestellter, setzt sich für einen Amalgam-Ausstieg ein: „Beim Arbeiten mit Amalgam in der Praxis wird Quecksilberdampf freigesetzt. Da 99 % der zahnmedizinischen Fachangestellten in Deutschland weiblich sind und Quecksilber sowohl schädlich für die Fruchtbarkeit als auch das ungeborene Kind ist, sind wir einem besonderen Risiko ausgesetzt.“
In der Bonner Amalgam-Erklärung sind 21 Gründe aufgeführt, die darauf hinweisen, dass Amalgamfüllungen nicht nur ein direktes Gesundheitsrisiko bergen, sondern erheblich zur Umweltverschmutzung mit Quecksilber beitragen. In der Umwelt sind die Konzentrationen seit der industriellen Entwicklung stark angestiegen und zu einem globalen Problem geworden.
International wird mit der Minamata-Konvention versucht, die Emissionen einzudämmen. Für die Überarbeitung des Abkommens (2022) hat die Afrikanischen Region jetzt gefordert, auch die Herstellung und Einfuhr von Amalgam ab 2027 zu verbieten. Gerade in Entwicklungsländern muss für den Umgang mit Amalgamabfällen erst eine kostspielige Infrastruktur für Sondermüll aufgebaut werden. Daher wollen sie lieber gleich auf Amalgam verzichten.
Die Europäische Kommission hat ihrerseits untersucht, ob in der EU ein Amalgam-Ausstieg bis 2030 oder früher möglich ist und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbar ist. Daher wird derzeit an einem Gesetzgebungsvorschlag gearbeitet. Doch für die Umsetzung ist die Zustimmung der Bundesregierung notwendig. Der Beschluss eines Amalgam-Verbots in Deutschland, wie ihn die Bonner Amalgam-Erklärung fordert, hätte eine große Tragweite.
Amalgam anderswo in der EU längst verboten
Deutschland wäre dabei nicht einmal Vorreiter: Italien hat gerade erst angekündigt, bis zum 31.12.2024 aus der Verwendung von Amalgam auszusteigen und in Schweden und Norwegen ist Amalgam seit über 10 Jahren verboten.
Florian Schulze, Geschäftsführer der IG Umwelt-ZahnMedizin und Initiator der Kampagne erklärte dazu, warum sich so viele Unterstützer aus verschiedenen Bereichen der Forderung angeschlossen haben: „Die Verwendung von Quecksilber in der Zahnmedizin hat nicht nur Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit, sondern auch konkrete Folgen für die Kreislaufwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Es entstehen Kosten für die ganze Gesellschaft.“
Johanna Hausmann von Women Engage for a Common Future mahnte: „Wir müssen dringend anfangen, die Belastungen durch Chemikalien zu verringern. Für uns und zukünftige Generationen. Von Quecksilber wissen wir, dass es – schon pränatal – nicht nur die Entwicklung der Intelligenz unserer Kinder stört, sondern auch zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. Sobald Mütter es über Fisch und andere Lebensmittel aufnehmen, geben sie es ungewollt während der Schwangerschaft weiter. Bei der Zulassung von Alltags- und Medizinprodukten, müssen wir zusätzliche Belastungsquellen unbedingt vermeiden.“
Reichlich Alternativen zu Amalgam
Dr. med. Claus-Hermann Bückendorf vom Berufsverband Klinischer Umweltmediziner fügt hinzu: „Seit über 30 Jahren beobachten wir einen starken Anstieg von chronischen Erkrankungen. Wir werden es uns nicht leisten können, den Fokus weiter auf die Behandlung von Symptomen zu legen, sondern müssen dringend anfangen, die Ursachen zu vermeiden. Auch kleine Mengen Quecksilber können chronische Beschwerden auslösen, insbesondere bei vulnerablen Patienten, deren Fähigkeit eingeschränkt ist, das toxische Metall auszuscheiden.“
Dabei gibt es ausreichend alternative Materialien, die von vielen Zahnärzten, wie Dr. Andreas Lozert von der IG Umwelt-ZahnMedizin, ausschließlich verwendet werden: „In der modernen Zahnheilkunde sind Zahnärzte nicht mehr auf Amalgam angewiesen. Seit meinem Studium vor 25 Jahren habe ich, wie die meisten meiner Kollegen, keine Amalgamfüllungen mehr gelegt und kann meine Patienten sehr gut mit Alternativen versorgen. Generell haben Alternativen den Vorteil, dass sie zahnschonender eingebracht werden können.“
Appell an die Krankenkassen
Initiator Florian Schulze führt weiter aus: „Schließlich müssen aber gesetzliche Krankenkassen die zuzahlungsfreie Standardversorgung auf alternative Füllungen anpassen, sodass auch Patienten mit geringen Einkommen damit versorgt werden können. Gerade Geringverdiener*innen haben häufiger Vorerkrankungen, wodurch Amalgamfüllungen zu einem zusätzlichen Risiko werden.“
World Future Council
Der World Future Council (WFC) verfolgt das Ziel, unseren Kindern und Enkeln einen gesunden, nachhaltigen Planeten mit gerechten und friedlichen Gesellschaften zu übergeben. Der Rat besteht aus 50 internationalen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur. Jakob von Uexküll, der Gründer des Alternativen Nobelpreises, hat den World Future Council 2007 ins Leben gerufen. Wir sind als gemeinnützige Stiftung in Hamburg registriert und finanzieren unsere Arbeit über Spenden und institutionelle Partnerschaften.
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