Kostenexplosion durch Pflege-Urteil: Anspruch auf Mindestlohn gilt auch während Rufbereitschaft
Finanzielle Belastung steigt ruckartig auf bis zu 6.900 EuroAusländische Betreuungskräfte, die in Deutschland in Privathaushalten arbeiten, haben nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen sie Pflegeleistungen auf Abruf erbringen müssen.
Pflegerin muss rund um die Uhr zur Verfügung stehen
Geklagt hatte eine Bulgarin, die über eine Vermittlungsagentur zur Pflege einer älteren Frau nach Deutschland entsandt worden war. Laut Arbeitsvertrag betrug ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Stunden bei freiem Wochenende und bei einer Nettovergütung von monatlich 950,00 Euro. Nach eigenen Angaben betreute sie die über 90-jährige Frau, in deren Wohnung sie ein Zimmer bewohnte, allerdings rund um die Uhr oder war in Bereitschaft. So habe sie beispielsweise nachts die Zimmertür geöffnet lassen müssen, damit sie auf Zurufen der betreuten Person Hilfe leisten könne, etwa beim Toilettengang.
Betreuungskräfte arbeiten auf dem Papier höchstens 40 Stunden
Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall – im Gegenteil: Viele der ausländischen Pflegekräfte, die zumeist aus Osteuropa stammen, sind als Arbeitnehmer bei ausländischen Agenturen angestellt und werden zur Erbringung von Pflegeleistungen in deutsche Haushalte vermittelt. Arbeitsvertraglich wird eine Entlohnung in Höhe des nationalen Mindestlohns (seit 1. Juli 2021: 9,60 Euro/Stunde) und eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden oder weniger vereinbart, wobei Bereitschaftszeiten nicht berücksichtigt werden. Wie auch im Fall der Klägerin ist eine Betreuung in der Regel aber sowohl am Tag als auch in der Nacht erforderlich und da die Betreuungspersonen häufig mit im Haushalt der betreuten Personen leben, stehen sie auch rund um die Uhr zur Verfügung.
Mit seinem Urteil hat das BAG nunmehr klargestellt, dass auch in dieser Konstellation der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 9,60 Euro zu zahlen ist. Das gelte auch für die Bereitschaftszeiten, in denen die Pflegekräfte auf Abruf arbeiten müssen.
Urteil betrifft Hunderttausende
„So nachvollziehbar die Entscheidung auch ist. Das Urteil löst einen Tsunami aus für alle, die daheim auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind“, erklärte Eugen Brysch, Vorstand bei der Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund. Nach seinen Angaben seien mindestens 100.000 ausländische Betreuungskräfte offiziell in deutschen Haushalten beschäftigt. Hinzu kämen schätzungsweise 200.000 Menschen, die ohne schriftliche Vereinbarung als Betreuungskraft arbeiteten.
Kosten für Pflegebedürftige kaum tragbar
Eine pflegebedürftige Person wird diese Kosten kaum aufbringen können. Bei einem Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro pro Stunde betragen allein die Lohnkosten pro Monat (30 Tage) über 6.900 Euro, hinzu kommen Vermittlungsgebühren für die Agenturen und Materialkosten.
Eine 24-Stunden-Betreuung durch eine einzige Person ist nach dem Arbeitsschutz außerdem nicht zulässig. Aufgrund der im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Ruhezeiten wären für die Betreuung einer Person daher mehrere Vollzeitkräfte erforderlich. Die Zahl illegal beschäftigter Pfleger aus dem Ausland könnte nach dem Urteil daher deutlich ansteigen.
[ Az.: 5 AZR 505/20]
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