„Grenzt an Realitätsverweigerung“ - Kassenärzte kritisieren Entwürfe zu neuen Digitalgesetzen
Sanktionspläne gegen Ärzte und unrealistische Kalkulationen sorgen für EmpörungeRezept und ePA bald verbindlich
Laut dieser neuen Gesetzesentwürfe soll das elektronische Rezept spätestens Anfang 2024 allgemeiner Standard in den Arztpraxen sein. Ein Jahr später soll die Patientenakte ePA folgen. Bundesgesundheitsminister lauterbach sprach von einer „Aufholjagd“ bei der Digitalisierung, der man nun mit entsprechenden Gesetzen auf die Sprünge helfen müsse. Die Kassenärzte kritisieren die neuen Gesetzesentwürfe und fordern Nachbesserungen.
Ärzte sollen Chaos ausbaden
Für große Empörung bei den Kassenärzten sorgen die geplanten Sanktionen gegen die niedergelassenen Ärzte, welche das elektronische Rezept nicht umsetzen. Nach jetzigem vorliegenden Gesetzestext soll den betreffenden Ärzten ein Prozent ihres Honorars abgezogen werden. „Wenn die Praxen das eRezept oder die elektronische Patientenakte zum Laufen bringen sollen, dann muss die Politik dafür sorgen, dass die Prozesse reibungslos funktionieren und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht gestört wird“, kommentierte das Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Sibylle Steiner. Entsprechende Regelungen würden die Kassenärzte aber in den Entwürfen „vermissen“, so Steiner. Auch die nach wie vor unklaren Regelungen bei der Frage nach den Zugriffsrechten auf sensible Gesundheitsdaten rief deutliche Kritik bei der KBV hervor. Die jetzigen Regelungen zur ePA stellten sich aus Sicht der Kassenärzte „unübersichtlich“ dar. Es gebe „ein relativ komplexes Regelungsgeflecht an Informations- und Zugriffs- und auch Widerspruchsregelungen“.
Unklare Prozesse und zu viel Bürokratie
Das Bundeskabinett hatte am 29. August ein „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ sowie ein „Gesetz zur verbesserten Nutzung der Gesundheitsdaten“ diskutiert und als Entwürfe zur Vorlage für den Bundestag verabschiedet. Zentrale Punkte sind die Einführung des eRezepts zum 1. Januar 2024 und die verbindliche Einrichtung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten Anfang 2025. Das zweite Gesetz regelt den Zugang zu den von den Krankenkassen gespeicherten Gesundheitsdaten für Forschungszwecke. Hier hagelte es vor allem Kritik an den unrealistischen zeitlichen Vorgaben für den Arbeitsaufwand bei der Eingabe der Daten in die Patientenakte. Schon am ersten Referentenentwurf hatten die Kassenärzte eine "schablonenhafte Zeitangabe von drei Minuten für fünf Dokumente als unrealistisch und reine Theorie" kritisiert. Diese Zeitspanne sei kaum abgeändert worden, was schon an "totale Realitätsverweigerung“ grenze, so Dr. Steiner. Abschließend machte die KBV-Vorständin noch einmal unmissverständlich in Richtung Bundesgesundheitsministerium klar, dass sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht als "Fließbandbefüller von Akten" sehen, sondern ihre Aufgabe nach wie vor darin sehen, ihre Patientinnen und Patienten zu versorgen.
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