Pannen und Protest beim E-Rezept
Übereilte Digitalisierung könnte für Chaos in Apotheken und Praxen sorgenMangelnder Datenschutz und hohe Fehleranfälligkeit
Am offiziellen und verbindlichen Einführungsdatum für das e-Rezept halte das Gesundheitsministerium weiter fest, obwohl seit dem Start des Probebetriebs erst knapp mehr als 40 Rezepte anstatt der geplanten 1000 erfolgreich ausgestellt und abgerechnet worden seien, wie netzpolitik.org weiter berichtet. Experten hätten nach einer Überprüfung der Abläufe bei einer Online-Apotheke zu dem eine hohe Fehleranfälligkeit festgestellt. Auch der Datenschutz sei fragwürdig, denn die elektronischen Rezepte seien wegen fehlender Ende-zu-Ende-Verschlüsselung de facto für die Serverbetreiber von der Gematik lesbar.
Ärztekammer will vorschnellen Start verhindern
Angesichts der nicht startklaren Technik will die Bundesärztekammer nun zusammen mit weiteren Verbänden eine übereilten bundesweiten Start des E-Rezepts zu stoppen. Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser appellierten gemeinsam „dringend an den Gesetzgeber, die Anwendung des eRezeptes erst nach einer ausreichenden Testphase und erwiesener Praxistauglichkeit für den Regelbetrieb in den Praxen vorzusehen.“ Denn wenn die neue digitale Infrastruktur nach dem verbindlichen Start ausfalle, könnten E-Rezepte weder ausgestellt noch eingelöst oder abgerechnet werden. Ein Chaos scheine mitten in einer Pandemie vorprogrammiert.
Kritisch sehen die Verbände, dass die verantwortliche Gesellschaft Gematik die Testphase als „erfolgreich“ bezeichnete, obwohl das Gegenteil der Fall sei und viel zu wenig Arztpraxen, Krankenkasen oder Apotheken bislang eingebunden seien. In Krankenhäusern sei die neue Technik bislang überhaupt noch nicht eingesetzt worden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Als Reaktion auf die lautstarke Kritik für die nicht ausreichenden Technikversuche schoben sich die Gematik und die Krankenkassen gegenseitig die Verantwortung zu.
E-Rezept nicht abwählbar
Das neue E-Rezept sei auch für Patienten rechtlich bindend. Niemand könne sich dagegen entscheiden. Jedes digital ausgestellte Rezept werde dabei durch einen QR-Code repräsentiert,der auf den Servern der Gematik zentral abgespeichert werde. Wer kein geeignetes mobiles Endgerät habe und die App nicht nutzen könne, habe die Möglichkeit, den QR – Code in der Praxis als Ausdruck auf Papier zu erhalten.
Die elektronischen Rezepte können nur mit Hilfe einer neuen elektronischen Gesundheitskarte und einer PIN verordnet und genutzt werden. Weiterhin ist die Freischaltung und erfolgreiche Funktion der so genannten Telematik-Infrastruktur vonnöten. Diese sorge für die Vernetzung und den gesicherten Datenverkehr zwischen Arztpraxen, Kliniken, Apotheken und Krankenkassen.
Pech & Pannen auch bei der eAU
Wie netzpolitik.org weiter schreibt, hätten übereilt angeordnete Digitalisierungsmaßnahmen in der Amtszeit von Ex-Minister Jens Spahn eine „gewisse Tradition“. So gebe es auch bei der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ab dem 1. Oktober 2021 ähnliche Probleme. Bei circa 50 Prozent aller Arztpraxen funktioniere die eigentlich vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Krankmeldung an die Krankenkassen noch nicht. Ob die neu vereidigte Ampel-Regierung mit Karl Lauerbach als Minister hier angemessen langsamer agieren wird, sei ebenfalls fraglich. Laut Koalitionsvertrag wolle sie das E-Rezept und weitere Digitalisierungsmaßnahmen „beschleunigen“.
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