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Urteile

Dreiwochenfrist bei Leistungsanträgen: Sozialgericht ändert bisherige Regelungen

Versicherte haben keinen Sachleistungsanspruch und müssen 'gutgläubig' gewesen sein
veröffentlicht am 09.06.2020 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Urteil zu Krankenkassenrecht Urteil zu Krankenkassenrecht(c) Thorben Wengert / pixelio.de
Mit einem umstrittenen Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) seine bisherige Rechtsprechung in Bezug auf die so genannte Dreiwochenfrist bei Leistungsanträgen geändert. Die wesentlichen Neuerungen sind im Folgenden zusammengefasst.

2020-06-09T12:58:00+00:00
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Zentraler Gegenstand des Urteils vom 26. Mai 2020 ist die sogenannte "Genehmigungsfiktion" (§13 Abs.3a S.6,7 SGB V). Laut dieser Regelung sind  Krankenkassen verpflichtet, über Leistungsanträge von Versicherten innerhalb von drei Wochen zu entscheiden. Muss der MDK hinzugezogen werden, sind es fünf Wochen. Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, hat sie dies den Versicherten schriftlich mitzuteilen. Tut sie dies nicht, gilt die beantragte Leistung nach Fristablauf automatisch als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Die Versicherten können nach Ablauf der Dreiwochenfrist die Leistung selbstständig in Anspruch nehmen und haben Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

Ab sofort nur noch Vorkasse

Auf Grundlage der so genannten Genehmigungsfiktion haben Versicherte nach neuer Rechtsprechung des BSG in diesem Falle nur noch Anspruch auf Kosterstattung im Nachhinein. Ein Anspruch auf Sachleistung, wie er bisher juristisch angenommen wurde, besteht nun offiziell nicht. Nutzen die Versicherten das Fristenrecht und treten beispielsweise eine noch nicht genehmigte Reha eigenständig an, müssen sie die Rechnung dafür also zunächst selbst tragen. Die Kasseler Richter stellten mit ihrem Urteil klar, dass die Genehmigungsfiktion juristisch nur bewirkt, dass sich Versicherte die beantragte Leistung selbst beschaffen und anschließend die Kosten von der Krankenkasse erstatten lassen können.

"Gutgläubigkeit" wird vorausgesetzt

Ein solches Recht bestehe allerdings nur, wenn der Versicherte zu dem Zeitpunkt, wo er sich die Leistung selbst beschafft, „gutgläubig“ ist, also nicht weiß, dass der Anspruch tatsächlich nicht besteht. Sobald über den Leistungsanspruch in bindender Weise entschieden worden ist, ende das Selbstbeschaffungsrecht des Versicherten, welches durch die Genehmigungsfiktion vermittelt wird, da er fortan Kenntnis davon habe, ob er die Leistung beanspruchen kann. Er ist dann folglich nicht mehr „gutgläubig.“ Durch die Genehmigungsfiktion werde das Verfahren bezüglich der Leistungsgewährung (Verwaltungsverfahren) nämlich nicht abgeschlossen. Vielmehr sei die Krankenkasse auch nach diesem Zeitpunkt dazu berechtigt und verpflichtet, über den Antrag zu entscheiden.

Klage auf Medikamentenversorgung nach Fristversäumnis

Dem Urteil lag die Klage eines Versicherten zugrunde, welcher bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit einem bestimmten Medikament zur Behandlung seiner Gangstörung beantragt hatte. Zugelassen ist dieses Medikament nur zur Behandlung einer Gangstörung bei Multipler Sklerose. Der Kläger leidet hingegen unter einer anderen Erkrankung. Das fragliche Medikament hatte sich der Kläger allerdings nicht selbst beschafft, sondern er verlangte die künftige Versorgung mit dem Medikament im Wege der Sachleistung. Seine Krankenkasse lehnte den Antrag ab, jedoch erst nach fast drei Monaten. Die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist der Krankenkasse war damit überschritten. Vor Gericht wollte der Mann daher seinen (vermeintlichen) Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Versorgung mit dem Medikament als Sachleistungsanspruch durchsetzen.

Weitere Klärungen notwendig

Während die Vorinstanzen dem Kläger in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des BSG diesen Anspruch zusprachen, führte die Revision der beklagten Krankenkasse zu der Rechtsprechungsänderung des BSG.

Ob die Klage des Mannes letztlich begründet ist, konnte das BSG nicht abschließend entscheiden, da noch nicht alle notwendigen Feststellungen getroffen worden sind. Daher hat das BSG die Sache an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen.

 

(BSG, Urteil vom 26.05.2020; Az.: B 1 KR 9/18 R)

 

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