Darf das Jobcenter die Krankenkasse vorschreiben?
Nicht nur Arbeitgeber bedrängen die Versicherten bei der Wahl der KrankenkasseOhne Zusatzbeitrag gibts nicht
Noch größer war die Überraschung, als Eleonora Ruck feststellen musste, dass es in Baden-Württemberg gerade mal eine einzige Krankenkasse ganz ohne Zusatzbeitrag gibt, und das auch nur noch bis zum Jahresende 2018. Weiterhin fand die Antragstellerin heraus, dass die vom Jobcenter abgelehnte Wunschkrankenkasse zu den ohnehin günstigsten gehört.
Bislang machen eher Arbeitnehmer in diesen Monaten die Erfahrung, dass sie bei der Wahl der Krankenkasse beeinflusst und in eine bestimmte Richtung gedrängt werden. Denn zum Jahreswechsel 2019 ändert sich die Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung gründlich. Ab Januar müssen die Arbeitgeber auch die Hälfte des Zusatzbeitrags der Krankenkasse tragen. Bei Durchschnittsgehältern um die 3.300 Euro sind das im Schnitt circa 30 Euro im Monat.
Freie Kassenwahl ein wichtiges Recht
Dass nun auch die Jobcenter Einfluss auf die Wahl der Krankenkasse nehmen, ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg äußerst kritisch zu sehen. „Die Möglichkeit, die Krankenkasse frei zu wählen, ist ein wichtiges Verbraucherrecht.“, so Peter Grieble, Fachreferent für Versicherungen/Pflege/Gesundheit. „Angriffe darauf sind nicht akzeptabel, Verbraucher dürfen nicht jenseits rechtlicher Gegebenheiten in ganz bestimmte Kassen gedrängt werden.“
Schon 2006 hat das Landgericht Nürnberg festgestellt, dass Unternehmer den Angestellten die Krankenkasse nicht vorschreiben dürfen (Az:1HK O 7031/06 ). Eine wettbewerbseinschränkende Einflussnahme darf weder durch entsprechende Klauseln Arbeitsverträgen noch mit anderweitigen Druckmitteln durchgesetzt werden.
Jobcenter zahlen durchschnittlichen Satz
Für die Jobcenter und Arbeitsagenturen existiert so ein explizites Urteil nicht, jedoch gilt nach §173 SGB V der Rechtsgrundsatz der Wahlfreiheit bei der Krankenkasse. Seit 2015 übernehmen die Arbeitsagenturen und Jobcenter den Zusatzbeitrag sowohl für Empfänger von ALG I als auch für ALG II. Für Hartz-IV-Empfänger wird dieser in der Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags gezahlt, also unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Zusatzbeitrags, der darunter oder darüber liegen kann.
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