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Seelische Gesundheit

Therapie auf der Couch: Analytische Psychotherapie

veröffentlicht am 07.08.2024 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Psychoanalyse - Therapeutische Verfahren  Psychoanalyse - Therapeutische Verfahren(c) Fotolia.com / Svyatoslav Lypynskyy
Manch innere Konflikte wirken seit Kindheitstagen unbewusst in uns. Bleiben sie unbearbeitet, können sie zu massiven psychischen Störungen heranwachsen. Die Psychoanalyse hilft dabei, die früh erfahrenen Defizite offenzulegen. Patienten erlangen in methodisch fundierten Gesprächen ein tieferes Verständnis ihrer Vergangenheit und der daraus resultierenden Übertragungen. So holen Patienten in der analytischen Psychotherapie einen seelischen Heilungsprozess nach.

2024-08-07T15:26:00+00:00
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Aufbauend auf den Theorien von Sigmund Freud dient die Psychoanalyse der Heilung psychischer Störungen. Als tiefenpsychologische Therapieform basiert sie auf der Annahme, dass unbewusste Persönlichkeitsanteile auf unser Handeln und emotionales Erleben einwirken.

Ziel der Psychoanalyse

  • Auflösung innerer Zwiespälte
  • Weiterentwicklung der Persönlichkeit
  • Stärkung innerer Selbstbestimmung
  • Aufarbeitung traumatischer Erfahrungen
  • Erarbeitung einer gesünderen Beziehung zum eigenen Körper und zum sozialen Umfeld

Gemeinsam ergründen Patienten und Therapeut die bis heute nachhallenden Verletzungen und Defizite aus der Kindheit. Fehlte es dem Patienten als Kind an einem liebevollen Umfeld, kann dies im Erwachsenenalter zu Bindungshemmungen führen. Der unerfüllte Wunsch nach Geborgenheit steht dann im Konflikt mit der Angst vor Zurückweisung, dem Bedürfnis nach Nähe und Intimität und einer mündigen Beziehungsgestaltung.
Indem der Patient diese Wechselwirkung versteht, arbeitet er gehemmte Entwicklungen der Persönlichkeit auf. Dem vorangestellt steht das Ziel, dass Patienten assoziativ die individuellen Verdrängungsstrategien durchbrechen.
Verfahren innerhalb der Tiefenpsychologie
Die Tiefenpsychologie lässt sich als Oberbegriff zu allen Behandlungsformen betrachten, die den Fokus auf die unbewussten Auswirkungen früher seelischer Verletzungen auf die aktuelle Lebensqualität legen. Häufig werden im Sprachgebrauch die tiefenpsychologischen Unterformen als Synonyme betrachtet.
Hilfesuchende sollten dennoch die Verschiedenheiten der Therapieformen kennen. Dadurch können Betroffene in Bezug auf persönliche Therapieziele, die Einbettung der Sitzungen in den Alltag und die Möglichkeiten der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen die bestmögliche Entscheidung treffen.

In der tiefenpsychologischen Methodik unterscheidet man daher neben der Psychoanalyse zwischen:

  • analytischer Psychotherapie
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
  • Transference-Focused-Therapie

Die Unterschiede der Verfahren liegen vor allem in deren zeitlichen Abläufen. So sind die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sowie die Transference-Focused-Therapie hauptsächlich als Kurzzeittherapien angelegt. Daneben existieren auch kleine Unterschiede in den angewandten Methoden.
So legt die Transference-Focused-Therapie den Schwerpunkt auf Übertragungsmechanismen. In der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie schauen sich Patient und Therapeut unbewusste Konflikte im gegenwärtigen Alltag und den dazugehörigen Beziehungen an.
Zu den Hauptverfahren der Tiefenpsychologie gehören allerdings die Psychoanalyse und die analytische Psychotherapie.
Unterschiede zwischen Psychoanalyse und analytischer Psychotherapie
Die Psychoanalyse ist die klassische Variante der Tiefenpsychologie. Sie fußt auf den Konzepten des Psychoanalytikers Sigmund Freuds. Die Ursprünge der seelischen Leiden lagen für ihn in verletzenden Geschehnissen sowie Traumata der Kindheit und in fehlerhaften Triebentwicklungen.
Seit diesen Anfängen erlebte die Psychoanalyse eine Modernisierung und Ausdifferenzierung auf spezifische Krankheitsbilder. So vereint die analytische Psychotherapie Konzepte der klassischen Behandlungsform mit neuen Erkenntnissen der Psychologie und Psychotherapie.
Therapeuten der psychoanalytischen Behandlung werfen den Blick neben den Kindheitserfahrungen auch auf die Jugend und Gegenwart der Patienten. Zudem bieten sie einen verkürzten und damit für die modernen Alltagsstrukturen vieler Patienten geeigneteren Behandlungszeitraum.
Grundlagen der tiefenpsychologischen Behandlung
Die Behandlungsmethode folgt der Theorie, dass Menschen psychisch auffällige Symptome ausbilden, weil sie seelische Verletzungen verdrängen. Die Verdrängung schützt den Menschen davor, einstmals erfahrenen Schmerz nicht nochmals in gleicher Intensität durchleben zu müssen.
Die individuellen Störungen und Ängste sowie deren innere Abwehr bringen Patienten unbewusst auch in die Beziehung zum Therapeuten ein und übertragen diese auf den Psychoanalytiker. So kehren Patienten in den Sitzungen unwillentlich an den Punkt zurück, an dem die Störung begann.
Im Dialog mit dem Therapeuten lernt der Patient dann einen hilfreichen Umgang mit seinen Übertragungen und Widerständen und kann im Schutzraum der Therapie einen begleiteten Neuanfang wagen.

Anwendungsfelder einer Psychoanalyse

Wie die Bezeichnung bereits verrät, findet die tiefenpsychologische Therapie ihre Anwendung, wenn Menschen tiefer gehende psychische Leiden bereits sehr lang mit sich tragen. Für Akutbehandlungen eignen sich psychoanalytische Angebote weniger.
Stattdessen behandeln Psychoanalytiker meist

  • Psychosomatische Störungen
  • Angst- und Panikzustände
  • Zwangsstörungen
  • Persönlichkeitsstörungen

Unbewusste, innere Konflikte verlangen danach, gelöst zu werden. Bleiben sie unbehandelt, verfestigen sie sich mit der Zeit und bilden psychische und körperliche Symptome aus. Zu den häufigsten Symptomen zählen Neurosen, die sich in Angststörungen und Zwangsverhalten ausleben. Daneben können seelische Konflikte auch hinter körperlichen Beschwerden und Krankheiten stecken.

Ablauf psychoanalytischer Sitzungen

Im Zentrum der Psychoanalyse steht das Gespräch zwischen Therapeut und Patient. Die Gespräche können dabei sowohl als Einzel- wie auch als Gruppengespräche stattfinden. Innerhalb des Settings spricht der Patient zunächst über seine Biografie.
In der klassischen Variante nimmt der Patient liegend auf einem Sofa Platz. Der Psychotherapeut sitzt dabei außerhalb des Sichtfeldes. Damit nimmt der Therapeut eine zurückgenommene Position ein, um den Patienten so wenig wie möglich in seinem gedanklichen Vorgehen zu beeinflussen.
In der moderneren, analytischen Psychotherapie gestaltet der Therapeut aktiver die Beziehung zum Patienten, um hinderliche Beziehungsmuster herauszuarbeiten und Problemlösungen für gegenwärtige Konflikte zu forcieren.

Methoden der analytischen Psychotherapie

Im Unterschied zur Verhaltenstherapie erhalten die Hilfesuchenden aber keine konkreten Anleitungen zu ihrem Handeln im Alltag. Das assoziative Vorgehen gibt Patienten einen Reflektionsraum. Daraus kann der Patient selbstständig neue Strategien für gegenwärtige Probleme ins Auge fassen und für sich eine innere Balance herstellen.
Dennoch nutzt der Psychotherapeut gezielte Nachfragen, um den Patienten an verdrängte Erinnerungen heranzuführen, die mögliche Ursachen für das psychische Leid in sich bergen können. Innerhalb dieses Dialogs kommen drei Elemente zum Tragen:

  • Freie Assoziation
  • Übertragung
  • Gegenübertragung

Die freie Assoziation bildet die Kerntechnik der tiefenpsychologischen Therapie. Hilfesuchende lassen ihren Gedanken freien Lauf und bringen Alltägliches, Träume und Wünsche zur Sprache. Der Therapeut konzentriert sich darauf, die Aussagen auf unbewusste Motive zu interpretieren. Hinter zunächst banal erscheinenden Aussagen können mit der Zeit versteckte tiefere Konflikte aufgedeckt werden.
Das Konzept der Übertragung geht davon aus, dass Patienten ihre zwischenmenschlichen Wünsche und Ängste ebenfalls in die therapeutische Beziehung mit einfließen lassen. Der Therapeut dient dabei als Projektionsfläche und kann zum Beispiel von Patienten, deren Liebeswunsch in der Kindheit unerfüllt blieb, unbewusst die Mutter- bzw. Vaterrolle auferlegt bekommen.
Der Therapeut bringt eigene Erwartungen und damit potenzielle Übertragungsmotive in die Sitzungen mit. Es kommt dadurch zu einer Gegenübertragung seitens des Therapeuten. Um den Beruf neutral und professionell auszuüben, bedarf es eines hohen Maßes an Selbstreflexion. Daher haben Therapeuten vor Berufsantritt ebenfalls eine Psychoanalyse durchlaufen.

Dauer einer psychoanalytischen Behandlung

Bei psychoanalytischen Verfahren in klassischer Form müssen sich Patienten auf eine zeitintensive Behandlung einstellen, die drei bis fünf Sitzungen wöchentlich umfasst und sich über viele Jahre erstreckt. Dieser Zeitraum lässt sich in moderne Lebensrealitäten oft nur schwer integrieren.
Erstens stellt er viele Patienten heutzutage vor organisatorische Probleme. Außerdem löst die Dauer für den Behandlungserfolg hinderliche Unzufriedenheit auf, da sich Patienten zügige Fortschritte wünschen. Drittens kommen gesetzliche Krankenkassen nur für eine begrenzte Menge an Sitzungen auf.
Die analytische Psychotherapie hat sich daher als geeignete Variante für Alltagsanforderungen etabliert. Sie dauert in den meisten Fällen zwei bis drei Jahre. Ein Patient begibt sich zudem im Schnitt zweimal wöchentlich zum Psychoanalytiker. Die Behandlungsform findet man daher auch im Bereich der Gruppentherapie und in stationären Therapien.

Kritik an der Psychoanalyse

Trotz der Möglichkeit, ein besseres Verständnis für sich zu gewinnen, schrecken viele Betroffene von einer tiefenpsychologischen Behandlung zurück. Zum Einen wirkt der lange Behandlungszeitraum entmutigend. Positive Ergebnisse zeigen sich ebenfalls erst nach einer längeren Bearbeitung. Einige Patienten brechen daher die Behandlung verfrüht ab.
Zum anderen verlangen die intensiven Sitzungen, die unangenehme Erinnerungen empor spülen, eine nachträgliche Phase der Entspannung und des Rückzugs. Diese können viele Patienten im stressigen Alltag nur schwer organisieren.
Die emotionale Bindung an den Psychoanalytiker kann ebenso zu Schwierigkeiten führen, besonders innerhalb des Loslösungsprozesses am Ende der Therapie. Therapeut und Patient entscheiden dann oft gemeinsam, die Sitzungsabstände zu vergrößern und die Behandlung sanft „ausschleichen“ zu lassen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das theoretische Fundament der Psychoanalyse. Viele Theorien Sigmund Freuds gelten heutzutage als widerlegt, zum Beispiel das Phasenmodell der Kinderentwicklung, oder lassen sich nicht verifizieren, wie das „Es, Ich, Über-Ich“-Konzept. An Stelle dieser Annahmen traten modernere Konzepte, so dass die klassische Psychoanalyse heute kaum noch zur Anwendung kommt.


Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen

Neben der systemischen Therapie und der Verhaltenstherapie zählen auch die analytische Psychotherapie sowie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zu den zugelassenen Behandlungsarten der gesetzlichen Krankenkassen. Die Sitzungen kann der Therapeut daher mit der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse des Patienten abrechnen.
Da sich die Psychoanalyse über einen weiten Zeitraum erschreckt und die gesetzlichen Krankenkassen nur Kosten für eine begrenzte Anzahl an Sitzungen übernehmen, sollten sich betroffene Mitglieder bei Ihrer Krankenkasse über die Kostenübernahme informieren. Besteht der Bedarf nach einer Psychoanalyse, kann auch ein Krankenkassenwechsel ratsam sein.

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