ADHS - Symptome, Diagnose und Behandlung
ADHS ist eine Störung, deren Symptome sich auf kognitiver Ebene und im Verhalten äußern. Ausgeschrieben bedeutet ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Unbehandelt leben die Betroffenen teilweise mit starken Beeinträchtigungen, die sich auch auf deren Lebensqualität auswirken. Mögliche Folgen äußern sich beispeisweise in Schul- oder Berufsversagen, familiären Problemen, Kriminalität oder einer Suchtentwicklung.
ADHS bei Kindern und Erwachsenen
In Deutschland leiden rund 2,4 bis 4,7 Prozent der Erwachsenen unter ADHS. Kinder sind häufiger betroffen. Nur 5 bis 15 Prozent der diagnostizierten Kinder behalten alle Symptome ihrer Störung bis ins Erwachsenenalter. Trotzdem verschwindet ADHS bei 50 bis 80 Prozent der Betroffenen nie vollständig. Im Laufe des Lebens verändert sich lediglich die Ausprägung und die Schwere der Symptome. In den letzten Jahren wurde ADHS immer häufiger diagnostiziert. Ein Grund dafür ist die zunehmende Häufigkeit von Fehldiagnosen. Unruhige und aufgedrehte Kinder werden fälschlicherweise als psychisch krank eingestuft, was eine unnötige Behandlung nach sich ziehen kann. Es ist deshalb wichtig, eine Diagnose nicht übereilt zu treffen. Unter Kindern wird ADHS häufiger bei Jungen diagnostiziert. Eine Theorie dafür ist, dass Jungen häufiger eine starke Verhaltensauffälligkeit zeigen und deshalb eher auf die Störung untersucht werden. Bei Erwachsenen kann ein geschlechtsspezifischer Unterschied nicht mehr festgestellt werden.
Kernsymptome bei ADHS
Die drei Kernsymptome von ADHS sind Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Ob und wie stark diese Eigenschaften auftreten, ist individuell verschieden. Die Symptome treten nicht zwangsläufig zeitgleich oder gleich stark auf. Für ADHS gibt es also keine einheitliche Symptomatik.Vielmehr gibt es zahlreiche Ausprägungen der Störung, wodurch jeder Betroffene ein individuelles Störungsbild hat. Tritt allerdings nur das Symptom der Unaufmerksamkeit auf, handelt es sich nicht um ADHS, sondern um ADS. Die Betroffenen leiden dementsprechend nur unter einer Aufmerksamkeitsstörung und nicht zwangsläufitg auch unter einer Hyperaktivitätsstörung.
Unaufmerksamkeit
Das Aufmerksamkeitsdefizit zeigt sich darin, dass Betroffene an einer gestörten Konzentrationsfähigkeit leiden und sich leicht ablenken lassen. Sie überlesen, übersehen und überhören schneller Details und beachten dadurch seltener Einzelheiten. Außerdem träumen sie öfter vor sich hin und hören seltener zu als Gleichaltrige ohne die Störung. ADHS-Erkrankte machen durch ihre Aufmerksamkeitsstörung schneller Flüchtigkeitsfehler und führen Anweisungen seltener vollständig aus. Typisch ist auch das häufige Verlieren, Vergessen oder Verlegen von Dingen.
Hyperaktivität
Unter Hyperaktivität wird ein übersteigerter Bewegungsdrang verstanden, der im Erwachsenenalter oft zu einem Gefühl von innerer Unruhe und Rastlosigkeit umschlägt. Die Betroffenen gelten als ungeduldige, laute und aufgedrehte Menschen, die durch ihre Art oft anecken oder andere stören. ADHD-Erkrankte handeln nicht selten mit unnötig starken Bewegungen, weshalb sie teilweise unangemessen auf Situationen reagieren. Um ihren übersteigerten Bewegungsdrang zu kompensieren, laufen sie häufig im Raum umher oder suchen sich ähnliche Bewegungsventile, auch wenn Ruhe von ihnen gefordert wird. Außerdem wechseln sie häufig ihre Tätigkeit, weshalb sie ständig neue Dinge anfangen, die sie nicht zwangsläufig zu Ende bringen. Das hyperaktive Verhalten kann durch Verbote oder eine Änderung der sozialen Umgebung nicht verhindert werden.
Impulsivität
Betroffene handeln unüberlegt und leichtfertig ohne die Konsequenzen ihrer Taten vollends zu bedenken. Dazu gehören neben spontanen Entscheidungen auch jegliche Äußerungen, die ADHD-Erkrankte ohne Berücksichtigung der entsprechenden Situation aussprechen. Die Betroffenen fallen ihren Gesprächspartnern zudem oft ins Wort und reißen nicht selten das Gespräch an sich, wenn sie in einen anhaltenden Redefluss gelangen. Dabei vergessen ADHD-Erkrankte dann auch auf soziale Signale zu achten, weshalb sie nicht mitbekommen, ob ihr Gegenüber noch am Gespräch interessiert ist. Sie können dadurch teilweise als taktlos und unhöflich wahrgenommen werden.
Begleiterscheinungen von ADHS
Neben diesen Kernsymptomen, haben Betroffene auch mit vielen unangenehmen Begleiterscheinungen, Nebensymptomen oder sozialen Konsequenzen der Störung zu kämpfen. Dazu zählen etwa:
- verbale und körperliche Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen
- frühzeitige Suchtentwicklung
- Aggressives Verhalten, Wutausbrüche, Unfälle und Verletzungen
- Schulische oder berufliche Probleme
- Probleme im Sozialverhalten, Ausgrenzung durch Gleichaltrige
- Höhere Anfälligkeit für psychische Störungen (Angststörungen, Depression, Apathie)
- Viokale oder körperliche Tics
- Filterschwäche (Wahrnehmung zahlreicher Reize aus der Umwelt)
ADHS wird meist nur mit den bekannten problematischen Folgen thematisiert. Weniger bekannt sind die nachweislich vielen positiven Eigenschaften, die mit dem Krankeitsbild einhergehen. Betroffene haben beispielsweise oft einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und zeigen verstärkt Empathie, Hilfsbereitschaft sowie eine große Offenheit gegenüber Neuem. Sie sind extrem sensibel für Stimmungen von bekannten Menschen. ADHS-Erkrankte gelten als sehr harmoniebedürftig und selten nachtragend. Eine herausstechende Besonderheit ist die Kreativität von ADHS-Erkrankten. Sie erbringen auf individuellen Gebieten oft überdurchschnittliche Leistungen. Sind sie von etwas begeistert, können sie sich sogar stundenlang damit beschäftigen. Nicht umsonst wird vielen berühmten Persönlichkeiten, darunter auch dem Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart, ADHS nachgesagt.
Genaue Diagnose wichtig
Nicht jedes unruhige oder unkonzentrierte Kind leidet direkt unter ADHS. Die Störung kann nur durch Spezialisten, sprich durch erfahrene Ärzte oder Psychotherapeuten festgetsellt werden. Für eine sichere Diagnose müssen die Symptome mindestens sechs Monate vorliegen, schon im Vorschulalter beobachtet worden sein und in verschiedenen Lebensbereichen der Betroffenen auftreten. Kinder mit ADHS sind also nicht nur in der Schule, sondern auch in ihrer Freizeit oder innerhalb der Familie seit einem längeren Zeitraum verhaltensauffällig. Die Symptome dürfen außerdem nicht durch eine andere psychische Erkrankung erklärbar sein.
Für die Diagnose ADHS orientieren sich die Spezialisten an den international anerkannten Diagnosekriterien. Wichtig ist dabei: Die Symptome besitzen immer ein Ausprägungsspektrum. Der Übergang zwischen Normwerten und krankhaften ADHS-Werten ist, wie bei anderen psychischen Erkrankungen auch, fließend. Die Ausprägung und folglich auch die Schwere von ADHS kann deshalb stark variieren. Die Beurteilung anhand eines Spektrums macht die Abgrenzung zu anderen Krankheiten oder zu unbedenklichen Normwerten schwerer. Besonders deswegen ist von einem vorschnellen Selbsturteil abzuraten.
Behandlungsmöglichkeiten von ADHS
Mit einer gezielten Therapie, Betreuung oder Medikamentierung ist es vielen Betroffenen möglich ein unauffälliges Leben mit ADHS zu führen. Welche Therapie sinnvoll ist, kann sich mit zunehmendem Alter ändern. Unter enger Absprache mit Fachärzten oder Psychotherapeuten, kann die Behandlung immer individuell angepasst werden.
Schon eine Verhaltens- oder Psychotherapie kann eine deutliche Linderung der Symptome und eine Verbesserung des Sozialverhaltens bewirken. Es handelt sich bei solchen Therapien um multimodale Behandlungen. Bedeutet: Sie bestehen aus einer Kombination von individuell abgestimmten Behandlungskomponenten. Die Verhaltens- oder Psychotherapie kann in Einzel- oder Gruppensitzungen stattfinden.
Ist ADHS besonders leicht ausgeprägt, kann es sogar reichen das Umfeld der Betroffenen zu sensibilisieren. Darunter fallen die Beratung von Lehrern, Eltern und anderen Angehörigen zum richtigen Umgang mit der Störung.
Bei einer stark ausgeprägten ADHS ist die Pharmakotherapie eine bewährte Behandlungsmethode. Zu der Vergabe von Medikamenten bei ADHS hat der Gemeinsame Bundesausschuss im September 2019 strengere Arzneimittelrichtlinien beschlossen. Arzneimittel, die den Wirkstoff Methylphenidat ( Ritalin) enthalten, dürfen verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen nur durch Spezialisten verordnet werden. Die Therapie mit Methylphenidat muss außerdem regelmäßig unterbrochen werden, um dessen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen zu überprüfen. Sprechen die Patienten nicht gut auf den Wirkstoff an, kommen alternativ die Wirkstoffe Atomoxetin, Dexamphetamin, Guanfacin und Lisdexamfetamin in Frage. Die Pharmakotherapie sollte allerdings immer von einer multimodalen Behandlung umrahmt sein. Schafft selbst die Medikamentierung keine Linderung, kann auch ein (teil-)stationärer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik hilfreich sein.
Ursachen und Einflüsse
Noch heute wird an den zugrundeliegenden Ursachen einer ADHS-Erkrankung geforscht. Sicher ist: Obwohl Umweltfaktoren an der Entwicklung von ADHS beteiligt sind, liegt die Hauptursache für eine solche Störung in der Vererbung und Genetik. Nach heutiger Annahme kann ADHS auf verschiedene Wege entstehen, was bedeutet, dass nicht bei allen Betroffenen die gleichen neuropsychologischen oder biologischen Auffälligkeiten auftreten.
Was viele ADHS-Erkrankte gemeinsam haben, ist eine neurobiologische Veränderung des Neurotransmittersystems im Gehirn. Die Betroffenen besitzen eine höhere Anzahl an Rezeptoren für den Neurotransmitter Dopamin: Und das an den Stellen, die für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind. In diesen Bereichen haben die Betroffenen oft auch ein geringeres Gehirnvolumen als Gleichaltrige ohne ADHS. Die Veränderungen im Gehirn beruhen auf genetischer Veranlagung. Molekulargenetische Studien konnten belegen, dass das Erbgut von ADHS-Erkrankten stellenweise modifiziert ist. Das betrifft vor allem Regionen, welche für die Bildung von Dopamin codieren.
Auch die Schwangerschafts- und Geburtsumstände scheinen Einfluss auf die Entwicklung von ADHS zu nehmen. Die Wahrscheinlichkeit ist deutlich erhöht, wenn Mütter während der Schwangerschaft Nikotin rauchen, Alkohol trinken oder anderweitig Drogen konsumieren. Die seltene Schwangerschaftserkrankung Präklampsie, welche mit Bluthochdruck und verstärkter Eiweißausscheidung einhergeht, steht außerdem im Verdacht das Risiko für ADHS zu erhöhen. Weil Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt meist mit einer Beeinträchtigung der Hirnfunktion einhergehen, sind diese immer begünstigende Faktoren für die Entwicklung von psychischen Störungen.
Nach heutigen Annahmen entsteht ADHS aus einem Zusammenspiel von äußeren und genetischen Faktoren. Es gibt also auch zahlreiche Umwelteinflüsse, die eine solche Störung hervorrufen oder verschlimmern können. ADHS kann beispielsweise Folge davon sein, dass Menschen in der westlichen Gesellschaft zunehmend einem Reizüberfluss ausgeliefert sind. Eine falsche Ernährungsweise zählt zu weiteren möglichen Ursachen. Personen, die über ihre Nahrung viele künstliche Farbstoffe oder Konservierungsmittel aufnehmen, können demnach schneller an ADHS erkranken. Soziale Faktoren wie das familiäre Umfeld, die Bedingungen in der Schule oder Ausbildung und eingegangene Partnerschaften nehmen zusätzlich Einfluss auf die Entwicklung von ADHS. Vor allem neue oder informationsgeladene Situationen, wie eine Urlaubreise oder eine Familienfeier, können bekannte Symptome verschlimmern und unerwünschte Verhaltensweisen hervorrufen.
Krankenkassen
Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten für eine Diagnose und oft auch für die Therapie von ADHS. Gesetzlich vorgeschrieben sind die Übernahme von notwendigen Verhaltens- und Psychotherapien inklusive der Vorgespräche. Aus einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses ging hervor, dass die Kosten für das Präparat Elvanse mit dem Wirkstoff Lisdexamfetamindimesilat auch von den Versicherungen getragen werden müssen.
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