Sportsucht – Wenn Workout zur Gefahr wird
Als Lukas L. (25) mit 18 Jahren mit dem Kraftsport begann, ging er wie viele andere andere auch zwei bis drei mal die Woche in Fitness-Studio, um Hanteln zu heben oder auf dem Laufband zu schwitzen. Zu sehen, wie man jede Woche mehr Gewicht schaffte und sich der eigene Körper zu verändern begann, fühlte sich sehr gut an und steigerte seine Lust am Trainieren. Ein halbes Jahr später trainierte er schon fünf oder sechs Mal die Woche und bald gab es keinen Tag mehr ohne. Den permanenten Muskelkater ignorierte er und achtete auch nicht mehr auf die wichtigen Pausen zwischen den Einheiten.
Exzessives Training mit Suchtcharakter(c) getty Images / Tero Vesalainen
Sucht ohne Substanzgebrauch
Mit dem Begriff Sucht verbindet man oft den harten Konsum von Alkohol und anderen Drogen. Sucht muss jedoch nicht zwingend mit der Einnahme von Substanzen verknüpft sein. Der gemeinsame Nenner heißt Dopamin oder auch Endorphine. Diese Glückshormone werden im Belohnungszentrum unseres Gehirns bei Erfolgserlebnissen ausgeschüttet, wie wir sie beispielsweise beim Sport erleben. Genau genommen sind wir also nicht nach einer Substanz oder Aktivität süchtig, sondern nach dem Gefühl, dass es in uns auslöst. Sportsucht gehört dabei zur Kategorie der nicht stoffgebundenen Verhaltenssüchte wie Kauf- oder Spielsucht.
Krisensituationen und Psychotherapie(c) Pixabay / CC0
Symptome von Sportsucht
Zwanghaftigkeit: Der Sport wird als Zwang wahrgenommen und nicht mehr aus reiner Motivation oder Freude betrieben. Betroffene können nicht mehr darauf verzichten.
Kontrollverlust: Erkrankte beschreiben ihr Verhalten als fremdgesteuert. Bei einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit wird selbiges ähnlich wahrgenommen. Außerdem können ständig Betroffene in alte oder andere Konsummuster zurückfallen. Darum ist das eigene Verhalten permanent zu reflektieren oder zu kontrollieren, um Rückfälle zu vermeiden, sehr wichtig.
Steigerungswille: Ebenso wie bei Substanzen entwickelt sich bei Sportsucht eine entsprechende Toleranz. Man neigt dazu die Intensität und/oder die Häufigkeit der Trainingseinheiten zu erhöhen, da die gewohnte Ausschüttung von Glückshormonen ansonsten nicht mehr gewährleistet werden kann. Die eintretenden Gewohnheitseffekte können so das aktuelle Suchtverhalten schnell verschlimmern.
Vernachlässigung: Soziale Kontakte (Freunde oder Partner), die Berufstätigkeit und andere Aktivitäten wie Hobbies können zunehmend von der Sportsucht verdrängt werden. Das vollständige Wegfallen anderen Zeitvertreibs birgt die Gefahr die Trainingszeiten noch weiter auszuweiten.
körperliche oder psychische Gefährdung: Süchtige neigen dazu die eigenen Limits zu überschreiten. Körperliche Schmerzen oder benötigte Regenerationspausen werden ignoriert, was schwerwiegende gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann. So können physische Schäden an Gelenken, Muskeln, Knochen oder Bändern auftreten.
Entzugserscheinungen: Das Fehlen der gewohnten körperlichen Aktivität kann zu psychischen und/oder psychosomatischen Symptomen führen. Dabei treten z.B. Schlafstörungen, Depressionen, Nervosität, erhöhte Reizbarkeit oder Magen-Darm-Beschwerden auf.
Mögliche Folgen von Sportsucht
(c) Pixabay / CC0
Mit dem Begriff der sekundären Sportsucht werden psychische Folgeerscheinungen der primären Erkrankungen bezeichnet. So neigen Männer die Kraftsport machen eher zur Muskeldysmorphie. Dabei wird fehlende Muskelmasse vermisst bzw. die vorhandene als zu gering wahrgenommen. Frauen tendieren hingegen zu Essstörungen und fühlen sich dabei vermehrt zu korpulent (Magersucht). Aber auch bei Sportlern gibt es nicht selten einen Hang zur Essstörungen im Sinne des krankhaften Festhaltens an einem Ernährungsplan.
Wer ist gefährdet?
Besteht die Gefahr nach Sport süchtig zu werden für uns alle? Bislang gibt es noch keine gezielten Studien zu den besonderen Risikogruppen für Sportsucht. Das Interesse nach Leistungssteigerung und gößerer Attraktivität durchzieht wohl alle Schichten und Altersgruppen. Es wird vermutet, dass etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung von exzessiver Bewegung abhängig ist beziehungsweise unter Sportsucht leidet. Jugendliche können aber als besonders gefährdet angesehen werden, weil sie sich besonders stark über äußere Körpermerkmale definieren und ihre Identität noch nicht gefestigt ist. Auch Menschen in ihrer Lebensmitte, bekannt als sogenannte Mid-Life-Crisis, könnten stärker als andere zu exzessivem Sport neigen.
Auch Frauen sind von Sportsucht betroffen(c) getty Images /Jorge Salmerón López
Möglichkeit für Hilfe und Besserung
(c) fotolia.de / animaflora
Die Betroffenen müssen sich ihres Verhaltens bewusst werden und bereit sein Hilfe anzunehmen, um die Abwärtsspirale zu durchbrechen und zur Normalität zurückkehren zu können. Das soziale Umfeld, zu dem auch Selbsthilfegruppen gehören können, trägt unterstützend dazu bei.Voraussetzung ist jedoch immer tatsächlich die Erkenntnis, dass das exzessive Treiben von Sport tatsächlich eine Sucht darstellt.
Auch Lucas L. konnte durch eine erfolgreiche Therapie und guten Halt bei Freunden wieder zu einem gesunden Maß sportlicher Aktivität zurückkehren. Das Verlangen zum exzessiven Trainieren, also die Gefahr eines Rückfalls, spürt er jedoch weiter.
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