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Palliativmedizin

Grauzone Sterbehilfe - Was gilt aktuell in Deutschland?

Nach der Aufhebung des generellen Verbotes fehlt es noch an gesetzlichen Regelungen
veröffentlicht am 08.11.2021 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Sterbehilfe in Deutschland Sterbehilfe in Deutschland(c) getty Images / Sergey Pavlov
Das Selbstbestimmungsrecht gehört zur Menschenwürde. Doch hört die Selbstbestimmung beim Sterben auf? Wer entscheidet welches Leiden ertragbar ist und welches nicht? Im Februar 2020 beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass ein Verbot der „geschäftsmäßigen Sterbehilfe“ verfassungswidrig sei.

2021-11-08T12:13:00+00:00
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Aktive, indirekte und passive Sterbehilfe

Der Begriff Sterbehilfe wird häufig ungenau verwendet. Grundsätzlich lässt sich eine aktive, passive und indirekte Sterbehilfe unterscheiden. Um eine aktive Sterbehilfe handelt es sich, wenn eine Person einer anderen Person auf ihr Verlangen hin aktiv Beihilfe zum Tod verschafft. Das geschieht beispielsweise mittels einer durch die Hilfsperson verabreichten tödlich wirkenden Substanz. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland gesetzlich verboten und wird laut Strafgesetzbuch als „Tötung auf Verlangen“ mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis hin zu fünf Jahren geahndet.

Die indirekte Sterbehilfe bezeichnet hingegen den Einsatz von bestimmten Medikamenten in medizinisch ausweglosen Situationen, um in der letzten Lebensphase Schmerzen zu lindern (palliative Sedierung). Diese verbessern zwar kurzfristig den Zustand von der betroffenen Person, jedoch wird dadurch nicht das Sterben verhindert. Einige Mittel können sogar die Lebenserwartung noch einmal verkürzen, was aus humanitären Gründen aber in Kauf genommen wird. Auch die indirekte Sterbehilfe wird im Einverständnis mit den Betroffenen durchgeführt. In Deutschland ist die indirekte Sterbehilfe zulässig.

Hilfe zum Suizid als rechtliche Grauzone

Vom assistierten Suizid wird gesprochen, wenn bestimmte Substanzen bereitgestellt werden, die der Patient selbstständig zu sich nimmt. Beispielsweise durch das verabreichen einer Überdosis. Diese Art der Sterbehilfe ist in Deutschland derzeit noch eine Grauzone, es herrscht immer noch Unklarheit in der Politik. Von einer passiven Sterbehilfe ist dann die Rede, wenn beispielsweise lebenserhaltende Maßnahmen ausgesetzt werden und dadurch der Patient oder die Patientin stirbt.  

„Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen“, ist ein Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil vom 26. Februar 2020.  Eine passive Sterbehilfe ist laut dem Urteil des Gerichts in Deutschland dann straffrei, wenn sie dem erklärten Willen oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Häufig wird durch eine Patientenverfügung durch die behandelte Person festgelegt, ob im Sterbefall lebenserhaltende Maßnahmen getroffenen werden, ob und wann diese unterlassen oder abgebrochen werden sollen. Diese Willenserklärungen sind für Ärztinnen und Ärzte bindend. Die betroffene Person kann eine passive Sterbehilfe in der Situation auch einfordern, jedoch nur, wenn der mutmaßliche Wille daber zweifelsfrei ermittelt und nachgeweisen werden kann.  

Und genau das ist auch einer der großen Diskussionspunkte in Gesellschaft und Politik. Wie frei ist der Wille zum Suizid? Neue Gesetzentwürfe sehen vor, dass ärztliche Beratungsgespräche eingeführt werden, die verpflichtend sind, um herauszufinden, ob der Wille dauerhaft und freiwillig ist. Im Bundestag wird derzeit über neue Regelungen zur Sterbehilfe debattiert. Zum einen soll das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verwirklicht werden, damit Patienten – die für sich keinen anderen Weg mehr sehen – nicht auf schmerzhafte Varianten zurückgreifen müssen oder dafür sogar ins Ausland fahren, in denen Suizidassistenz unter bestimmten Regelungen geduldet wird.

Sterbehilfe anderswo: Schweiz und Niederlande

In den Niederlanden beispielsweise wurde 2002 die aktive Sterbehilfe eingeführt. Dort darf diese nur ärztlich ausgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die oder der verantwortliche Arzt oder Ärztin keine Heilungsprognose sieht und ein nicht erträgliches Leiden feststellt. Dies gilt unter bestimmten Bedingungen auch für Minderjährige.

In der Schweiz gibt es die Patientenverfügungs- und Sterbehilfe-OrganisationExit“. An diese Organisation können sich Menschen, die einen begleiteten Suizid begehen möchten, wenden. Eine Voraussetzung sind dafür, dass die Person urteilsfähig ist, nicht aus dem Affekt handelt, einen dauerhaften Sterbewunsch hat, autonom die Entscheidung trifft und den Suizid selbst durchführt. Je nach Dauer der Mitgliedschaft erhebt die Organisation eine Kostenbeteiligung zwischen 1.000 Euro und 3.400 Euro. Nach drei Jahren Mitgliedschaft würde die Organisation die Kosten komplett übernehmen.

Aktive Sterbehilfe bleibt verboten

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar, hat in Deutschland der assistierte Suizid eine Stärkung erhalten. Das bisherige „Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ wurde für verfassungswidrig erklärt. Dennoch fehlen bislang die notwendigen Regelungen dafür. Eine aktive Sterbehilfe ist in Deutschland weiterhin verboten.


Hilfe für suizidgefährdete Menschen
Hilfsangebote für Suizidgefährdete, Menschen mit Depressionen und ihre Angehörigen: Wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen. Sie können folgende Nummer wählen: 0800-1110111 (kostenfrei) und 0800-1110222 (kostenfrei) oder online unter telefonseelsorge.de an. Bundesweite Beratungsstellen gibt es hier.

 

Quellen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/

https://www.aerztezeitung.de/Politik/So-regeln-andere-Laender-die-Sterbehilfe-416680.html

 

Weiterführende Artikel:
  • Wird Sterbehilfe jetzt legal?
    Ein Paukenschlag aus Karlsruhe: Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 26. Februar.
  • Totenschein – Hohe Kosten für notwendiges Papier
    Wenn ein Mensch im Kreise seiner nahen Verwandten verstirbt, haben die Hinterblieben neben der Trauer auch Pflichten zu bewältigen. Zuallererst ist ein Arzt zu informieren, der den eingetretenen Tod medizinisch festzustellen hat und den Totenschein ausstellt. Seit 2004 tragen die Krankenkassen dafür nicht mehr die Kosten.

 

 

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