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Alternativmedizin

"Unser Ziel ist der staatlich anerkannte Beruf für Osteopathinnen und Osteopathen"

Interview mit Georg Schöner - Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Osteopathie e.V. (BVO)
veröffentlicht am 28.09.2018 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Georg Schöner ist Vorsitzender des Bundesverband Osteopathie e.V. (BVO)Georg Schöner ist Vorsitzender des Bundesverband Osteopathie e.V. (BVO)(c) BVO e.V.
Die Akzeptanz für Osteopathie als sanfte Behandlungsmethode ist in den letzten 10 Jahren in Deutschland permanent gestiegen. Trotzdem ringen Osteopathen hierzulande um verbindliche Standards für Ausbildung, Berufszulassungen und Studien zum Nachweis der medizinischen Wirksamkeit. Georg Schöner, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes BVO, spricht über den Osteopathie-Boom, eine aktuelle Patientenumfrage und die politischen Ziele seines Verbandes. 

2018-09-28T13:06:00+00:00
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Die Osteopathie als heilmethodischer Ansatz existiert seit nunmehr fast 150 Jahren. Wie erklären Sie sich als praktizierender Osteopath den rasanten Zuspruch in der letzten Dekade?

Die hohe Akzeptanz bei Patienten und Ärzten hat mehrere Ursachen. Zum einen haben die Osteopathen in Deutschland viel unternommen, um sich auch hierzulande als Ergänzung im Gesundheitssystem zu etablieren. Hinzu kommen Behandlungserfolge über eine Vielzahl von Beschwerdefeldern hinweg.

"Kaum eine Fußballmannschaft, kaum ein Wintersportler oder Olympionike auf Top-Niveau verzichtet heute noch auf eine osteopathische Betreuung."

Gerade in Fällen, wo andere Ansätze keine oder nur wenig Verbesserungen für die Betroffenen bringen, erreichen Osteopathen nicht selten überzeugende Ergebnisse. Das spricht sich natürlich rum und lässt auch manchen Skeptiker eine osteopathische Behandlung ins Auge fassen. Ganz klar tragen natürlich auch Geschichten über erfolgreich behandelte Profisportler zum wachsenden Zuspruch bei. Kaum eine Fußballmannschaft, kaum ein Wintersportler oder Olympionike auf Top-Niveau verzichtet heute noch auf eine osteopathische Betreuung.

Ist nicht auch die wachsende Bereitschaft zur Kostenübernahme der Krankenkassen mit dafür verantwortlich ?

Nein, finanzielle Anreize wie etwa die Bezuschussung durch die Krankenkassen scheinen für den wachsenden Zuspruch weniger ausschlaggebend gewesen zu sein. Zwar nutzen laut der BVO-Umfrage rund zwei Drittel der gesetzlich und privat Versicherten die Unterstützung. Aber über 95 Prozent sagen gleichzeitig, dass sie sich auch ohne Zuschuss osteopathisch hätten behandeln lassen. Da scheint es sich also eher um einen Mitnahme-Effekt zu handeln, der mehr den Wettbewerb zwischen den Kassen beflügelt.


Wieviel bezahlen die einzelnen Krankenkassen für Osteopathie?  >>> Aktuelle Liste


Immer wieder zeigen Umfragen wie die Ihre, dass die Menschen sehr zufrieden sind mit den Wirkungen und Erfolgen osteopathischer Behandlungen. Trotzdem gilt ihre Wirksamkeit aus Sicht der Schulmedizin als kaum erwiesen. Gibt es zu wenige Studien oder werden die entscheidenden Nachweisstudien zu selten anerkannt?

In dieser Frage müssen wir differenzieren. Im englischsprachigen Raum – insbesondere in den USA – gibt es zahlreiche und auch umfangreiche Studien. Dort wo die Osteopathie schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten anerkannter Teil der Gesundheitsversorgung ist, dort stehen auch die Mittel und Ressourcen für solch umfassende Untersuchungen bereit. Sie zeigen die Wirksamkeit für ausgesuchte Behandlungsfelder genauso wie für die Osteopathie insgesamt.

"Fakt ist aber auch, dass wir im deutschsprachigen Raum Nachholbedarf haben, was Studien anbelangt."

Fakt ist aber auch, dass wir im deutschsprachigen Raum Nachholbedarf haben, was Studien anbelangt. Dort setzt der BVO auch gemeinsam mit anderen an. Das braucht aber eben auch ein Stück Zeit, da hierzulande natürlich momentan noch ganz andere Ressourcen zur Verfügung stehen. Nichts destotrotz sehen wir Osteopathen uns natürlich auch in der Pflicht und nehmen diese an. Untersuchungen wie die BVO-Patientenumfrage sind ein erster Baustein – sie liefern wichtige Ansätze für weitere und viel tiefergehende Untersuchungen, sowohl was Fragestellungen als auch Strukturen anbetrifft.


Nach wie vor ist die Berufsbezeichnung "Osteopath" nicht geschützt und der Beruf als solcher staatlich nicht anerkannt. Was können Versicherte tun, wenn sie auf der Suche nach einer Osteopathiepraxis die Qualität sicherstellen möchten - und wie helfen Sie als Verband?

Die Frage betrifft natürlich den Kern unserer Verbands- und politischen Arbeit. Der BVO nimmt nur Mitglieder auf, die über eine umfangreiche und hochwertige osteopathische Ausbildung verfügen. Gleichfalls müssen unsere Mitglieder eine umfassende Vorbildung in einem Gesundheitsberuf wie etwa Physiotherapeut oder Arzt vorweisen. Sie sind in einer öffentlichen Liste über unsere Website beispielsweise nach Ort auffindbar. Andere Verbände halten es da ganz ähnlich.

"Patienten sollten immer darauf achten, ob der Therapeut durch einen Verband zertifiziert ist."

So lange es noch keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen gibt, ist ein wichtiger Hinweis deshalb: Patienten sollten immer darauf achten, ob der Therapeut durch einen Verband zertifiziert ist. Und natürlich auch darauf, welche Vorgaben der Verband für ein entsprechendes Siegel macht. Das gilt insbesondere auch für Spezialdisziplinen wie die Kinderosteopathie, die ganz eigene Voraussetzungen hat, da sich Körper und Organismus von Kleinkindern und Heranwachsenden erheblich von denen der Erwachsenen unterscheiden. Für die Zukunft gilt es im Rahmen der Anerkennung der Osteopathie als Beruf, die Basis für eine Vollzeitausbildung zu schaffen - dabei streben wir eine Regelung an, die in der osteopathischen Aus- und Fortbildung alle erforderlichen theoretischen und praktischen Inhalte verankert, die Osteopathen dann zum Erstkontakt mit Patienten befähigt.


Die meisten gesetzlichen Krankenkassen bezuschussen mittlerweile Osteopathiebehandlungen, allerdings nur im Umfang von 3 bis 6 Behandlungssitzungen pro Jahr. Ist diese Anzahl eigentlich hinreichend für wirksame Heilerfolge oder haben die Versicherten nach wie vor den Löwenanteil selbst zu bezahlen?

An dieser Stelle wäre es unseriös, eine pauschale Aussage zu treffen. Natürlich hängen Behandlungsverlauf und -erfolg ganz maßgeblich von Art und Ursache der Beschwerden sowie unter anderem der körperlichen Verfassung der Betroffenen ab. Auch die Behandlung eines Blinddarms oder eines Beinbruchs ist letztlich höchst individuell. Natürlich gibt es Beobachtungswerte, die für bestimmte Beschwerdefelder einen Richtwert vorgeben. Weicht der Behandlungserfolg davon ab, dienen diese dann natürlich auch als Ausgangspunkt für weitere Überprüfungen. Dennoch geht die Osteopathie sehr individuell auf Situation, Beschwerdelage und Verfasstheit der Patienten ein. Als Therapeuten blicken wir auf den gesamten Organismus und klären natürlich mit jedem Patienten den Behandlungsverlauf individuell ab. Sie wissen somit, was auf sie zukommt. In vielen Fällen werden sich mit 3 bis 6 Behandlungen jedoch gute Ergebnisse erzielen lassen.

Die gesellschaftliche Akzeptanz der Alternativmedizin ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Wie schätzen sie die Situation hierzulande im Vergleich zu anderen europäischen und außereuropäischen Ländern ein?

Als Ergänzung im Gesundheitssystem hat sich die Osteopathie in vielen Ländern bereits etabliert. In den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien oder auch Brasilien ist die Osteopathie gesetzlich geregelt. Unlängst hat in Europa Italien nachgezogen und entsprechende Regelungen auf den Weg gebracht.

"Als Bundesverband sind wir regelmäßig in Gesprächen mit führenden Gesundheitspolitikern aus Bund und Ländern."

Deutschland ist in diesem Bereich also ein bisschen hinten dran gegenüber seinen Nachbarn und führenden Industrienationen. Das soll und muss sich über kurz oder lang auch hierzulande ändern. Als Bundesverband sind wir regelmäßig in Gesprächen mit führenden Gesundheitspolitikern aus Bund und Ländern. Dort zeigt sich, dass es ein wachsendes Verständnis für die Materie gibt. Gleichzeitig gibt es einen wachsenden Zuspruch bei Patienten und generell eine größere Offenheit für ergänzende Leistungen.

Welche unmittelbaren politischen Ziele streben Sie als Verband in nächster Zukunft an?

Unser Ziel ist der staatlich anerkannte Beruf für Osteopathinnen und Osteopathen. Das umfasst ein entsprechendes Berufsgesetz, das eine Berufsordnung, ein Berufsbild, ein Ausbildungs- und Prüfungscurriculum sowie ein Staatsexamen vorgibt und regelt. Ganz unmittelbar heißt das für uns zunächst, die Diskussion weiterzuführen, den politischen Prozess mitanzustoßen und aktiv mitzugestalten. Im Ergebnis wollen wir nicht nur weiter eine hohe Behandlungsqualität, sondern auch mehr rechtliche Sicherheit für unsere Patienten und Mitglieder.

 

 

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