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Sozialwahlen 2023

Darum kandidiere ich bei den Sozialwahlen

Demokratische Mitbestimmung als einfaches Kassenmitglied
veröffentlicht am 25.04.2023 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Dr. Dieter Noack - Listenkandidat Sozialwahl 2023 für den TK-Verwaltungsrat Dr. Dieter Noack - Listenkandidat Sozialwahl 2023 für den TK-Verwaltungsrat
Dr. Dieter Noack ist Rentner aus Frankfurt/Oder und kandidiert bei den diesjährigen Sozialwahlen für den Verwaltungsrat als Mitgliederparlament der Techniker Krankenkasse. Im Gespräch mit Krankenkasseninfo erklärt er, warum es wichtig ist, das demokratische Mitbestimmungsrecht in der Sozialversicherung wahrzunehmen.

2023-04-25T15:36:00+00:00
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Die Sozialwahlen 2023 finden zum Teil erstmals auch digital statt Die Sozialwahlen 2023 finden zum Teil erstmals auch digital statt
Seit dem 20. April erhalten Millionen Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen die Unterlagen für die Sozialwahlen per Brief zugeschickt. Bis Ende Mai müssen die Wahl-Briefe mit den angekreuzten Listen-Vorschlägen bei den Kassen eingereicht sein,wenn sie Berücksichtigung finden sollen. Die Mitglieder von Ersatzkassen können außer dem erstmals Online abstimmen.


Herr Dr. Noack, Was motiviert Sie eigentlich, sich als Wahllistenkandidat für die Selbstverwaltung Ihrer Krankenkasse zu engagieren?

Ich kandidiere bei den Sozialwahlen, weil ich meine Erfahrungen einbringen und meine langjährige Arbeit auch in der zu wählenden neuen Selbstverwaltung gerne fortsetzen möchte. Ursprünglich bin ich noch mit dem staatlichen Gesundheitssystem der DDR aufgewachsen. 1991 nahm ich dann als Neu-Bundesbürger die Gelegenheit wahr, in den ehrenamtlichen Vorstand der TK kooptiert zu werden. Dort lernte ich die Vorzüge des „gegliederten“ Sozialsystems der Bundesrepublik und auch den Wettbewerb zwischen Kassen zu schätzen.

Ursprünglich bin ich noch mit dem staatlichen Gesundheitssystem der DDR aufgewachsen.

Die frei gewählte Selbstverwaltung in Ersatzkassen wie der TK ist ein wesentlicher Garant dieses Systems. Denn die dorthin gewählten Kassen-Mitglieder nutzen als „Parlament“ ihre Kontroll- und Mitspracherechte. Beispielsweise werden dort von Ihnen auch Fragen der Finanzhoheit verhandelt oder auch die inzwischen hauptamtlich arbeitenden Vorstände bestellt. Als gewählte Patientenvertretung fungiert die Selbstverwaltung nicht zuletzt auch als „Anwalt“ der Versicherten – und das durchaus auch direkt wie in der Widerspruchsbearbeitung.


Die TK ist mit 11 Millionen Versicherten die größte gesetzliche Krankenkasse Deutschlands. Ist es auch heute möglich, als ganz einfaches Mitglied für ein Führungsgremium wie den Verwaltungsrat zu kandidieren?

Ja, das ist nach wie vor möglich. Der Weg zu einer Kandidatur erfordert einen Vorlauf von etwa zwei Jahren. Die erste Voraussetzung ist eine Kassenmitgliedschaft zum Zeitpunkt der „Wahlausschreibung“ circa 18 Monate vor dem Wahltermin. Bei der eigentlichen Wahl werden aber nicht Einzelkandidaten, sondern immer Vorschlagslisten gewählt – ähnlich der Zweitstimme bei den Bundestagswahlen.

Als gewählte Patientenvertretung fungiert die Selbstverwaltung nicht zuletzt auch als „Anwalt“ der Versicherten

Als „einfaches“ Mitglied muss man sich bereits zu diesem Zeitpunkt in einer „Arbeitnehmervereinigung“gemäß § 48 SGB IV aktiv eingebracht haben. Zugelassene Vereinigungen erstellen dann rechtzeitig vor dem Wahltermin eine Kandidatenliste - demokratisch und mit festgelegter Reihenfolge, wie man es auch von politischen Parteien kennt. Welche Vereinigungen überhaupt relevant sind, lässt sich im Sekretariat des Vorstands der jeweiligen Krankenkasse erfragen.


Handelt es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit oder gibt es ähnlich wie in der Kommunalpolitik auch Sitzungsgeld oder vergleichbare finanzielle Aufwandsentschädigungen?

Die Mitglieder der Selbstverwaltung üben ihr Amt ehrenamtlich aus und sind arbeitsrechtlich gegen Benachteiligungen in der Folge ihrer Amtsausübung geschützt. Trotzdem ist die praktische Ausübung neben einem Fulltimejob nicht einfach. Deshalb werden für alle Selbstverwaltungen in der Sozialversicherung geltende pauschale Aufwandsentschädigungen als Tagessätze gezahlt, die zu versteuern sind. Diese  Entschädigungspauschalen werden durch Spitzenverbände der gewerkschaftlichen Seite sowie der Arbeitnehmervereinigungen festgelegt. Im Augenblick erhält ein „einfaches“ SV-Mitglied in der TK für seine Tätigkeit an einem Sitzungstag jeweils 79 Euro.

Krankenkassen werden heutzutage wie Unternehmen geführt. Welche Rolle spielen die gewählten Sozialvertretungen heute im Vergleich zu den siebziger oder neunziger Jahren?

Die Rolle der gewählten Sozialvertretungen bei den Krankenkassen hat sich seit Mitte der neunziger Jahre gewaltig verändert. Bis dato wurden die Vorstandsmitglieder aus der „Vertreterversammlung“ heraus gewählt; sie waren ehrenamtlich tätig und verantworteten schon damals Haushaltsvolumina im zweistelligen Milliardenbereich. Ende 1992 beschloss der Bundestag dann mit breiter Unions- und SPD-Mehrheit das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) mit weitreichenden Folgen. Neben der allgemeinen Öffnung der Kassen und der Schaffung von Wettbewerb mit Risikostrukturausgleich gab es auch eine neue Struktur für die Selbstverwaltung – den Verwaltungsrat. Anstelle von Vertreterversammlung und Vorstand bildete er nun das oberste Beschlussgremium einer Krankenkasse.

"In den letzten 25 Jahren hat sich die Politik zunehmend in die Belange der Sozialversicherung eingemischt"

Im Verwaltungsrat werden seit dem die Grundzüge der Kassenpolitik bestimmt und Grundsatzentscheidungen über Satzung, Haushalt und den Vorstand getroffen. Seit 1994 ist auch ein hauptamtlicher Vorstand allein für das komplette „laufende Geschäft“ zuständig. Die gewählte Sozialvertretung hat damit ihre ehrenamtlich kaum zu bewältigende Macht an den von ihr eingesetzten Vorstand abgegeben. Bei der TK hatten wir uns damals mit Herrn Dr. Klusen erstmals einen Unternehmens-Manager in unseren Vorstand geholt. Dieser führte die Kasse wie ein Unternehmen – in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwaltungsrat. In den letzten 25 Jahren hat sich die Politik zunehmend in die Belange der Sozialversicherung eingemischt, indem beispielsweise Beitragseinnahmen der Mitglieder in andere Bereiche gelenkt wurden. Mit Einführung des Gesundheitsfonds 2005 wurde den Kassen sogar die Hoheit über den Mitgliedsbeitrag genommen. Zuletzt griff Gesundheitsminister Spahn mit Gesetzesmacht in die Rücklagen aus Mitgliedsbeiträgen ein verteilte diese um. Mit einer hohen Wahlbeteiligung können versicherte Mitglieder der Politik signalisieren, dass ihre Parlamente eine starke demokratische Basis repräsentieren.  


Haben die TK-Versicherten die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Wahlvorschlägen eine Auswahl zu treffen oder handelt es sich um eine Friedenswahl mit nur einem Vorschlag?

Die Mitglieder der TK und der anderen Ersatzkassen sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund nehmen an einer „Wahl mit Wahlhandlung“ teil. Bei uns in der Versichertengemeinschaft der Ersatzkassen und DRV Bund ist eine Wahl zwischen verschiedenen Wahllisten („Vereinigungen“) üblich. Durch die Wahl werden die Personen auf den Listen für ihre Tätigkeit legitimiert. Die Listen-Reihenfolge auf dem Stimmzettel leitet sich aus dem bekannten d'Hondtschen Sitzverteilungsverfahren ab, das auch bei der Bundestagswahl angewendet wird. Die übrigen 15 Rentenversicherungsträger und 90 Krankenkassen haben sich für das noch immer gesetzlich mögliche Verfahren der "Wahl ohne Wahlhandlung" entschieden. Diese Bezeichnung muss man sich in einer Demokratie auf der Zunge zergehen lassen.


Wofür genau steht die Wahlliste „BfA DRV-Gemeinschaft -Die Unabhängigen-" und was haben sich ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die neue Legislaturperiode vorgenommen?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Ausbau des Sozialversicherungssystems insbesondere der Techniker Krankenkasse zu fördern und die Belange der Mitglieder in dieser Kasse zu wahren. In der künftigen Selbstverwaltung der Krankenversicherung werden wir uns einsetzen für eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Versicherten – unabhängig von Alter, Geschlecht und Einkommen. Weiterhin sind uns besonders wichtig:

  • ein persönlichen Service für Versicherte durch qualifizierte Mitarbeiter
  • eine versichertennahe Beratung und Betreuung
  • eine zukunftssichere Weiterentwicklung des Gesundheitssystems unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschrittes und des Sachleistungsprinzips
  • eine gleichmäßige Beteiligung von Arbeitgebern und Versicherten an der Finanzierung ohne Überforderung der Versicherten
  • eine Beteiligung der Versicherten an reformpolitischen Diskussionen

In der Pflegeversicherung werden wir uns einsetzen für:

  • eine gemeinsame zukunftssichere Finanzierung durch Versicherte und Arbeitgeber sowie Dynamisierung der Leistungen
  • eine Umstellung der Pflegeversicherung von einer Teilkasko auf eine Vollkaskoversicherung bei einer Beteiligung der Versicherten /Pflegebedürftigen an den Kosten. Dabei müssen die nicht durch Beiträge gedeckte Kosten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln beglichen werden
  • ein qualitätsgesichertes Angebot an ambulanten und stationären Leistungen
  • mehr Transparenz bei pflegerischen Leistungsangeboten
  • eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

 

 

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