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Bundestagswahl 2021: AfD

"Den Gesundheitsfonds wollen wir abschaffen" Detlev Spangenberg (AfD) im Interview

WAHL-SPEZIAL mit den gesundheitpolitischen Sprechern der Parteien und Fraktionen
veröffentlicht am 09.08.2021 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Detlev Spangenberg (AfD)  Detlev Spangenberg (AfD)(c) Deutscher Bundestag
Ein Jahr nach ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag stellte die AfD auch eine gesundheitspolitische Agenda vor, die bis heute im Grundsatzprogramm der Partei fehlt. Detlev Spangenberg beantwortet als Obmann im Gesundheitsausschuss unsere Fragen im Wahlspezial Gesundheitspolitik.

2021-08-09T14:01:00+00:00
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krankenkasseninfo.de: Den gesetzlich Versicherten in Deutschland drohen massive Beitragssteigerungen, die aktuell nur durch Milliardentransfers aus Steuermitteln aufgehalten werden können. Wo würde die AfD den Hebel ansetzen, um die Lasten im Gesundheitswesen zu verteilen?

Detlev Spangenberg: Die Steuerzuschüsse sind ja keine milde Gabe an die Krankenversicherungen, sondern ein Ausgleich für politisch gewollte, insbesondere versicherungsfremde Ausgaben. Und dieser Ausgleich geschieht nicht einmal vollständig. Die Unterdeckung beträgt allein bezüglich der ALG-II-Empfänger fast zehn Milliarden Euro pro Jahr. Die sozialpolitische Last der Gesundheitsversorgung wird somit in Milliardenhöhe auf die Schultern der GKV-Beitragszahler – der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber – gelegt. Dort gehört sie aber als gesamtgesellschaftliche nicht hin, zumal höhere Lohnebenkosten stets mit der Abnahme der Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze einhergehen und umgekehrt. Wir wollen sicherstellen, dass die Unterdeckung dieser Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen vom Bund vollständig ausgeglichen wird.

 
krankenkasseninfo.de: Das Jahr 2021 ist ein entscheidendes Jahr für die medizinische Digitalisierung, es droht aber auch der „Gläserne Versicherte“. Krankenkassen und forschende Unternehmen bekommen Zugriff auf Gesundheitsdaten, teilweise sogar ohne Widerspruchsrecht. Welche Haltung vertritt die AfD beim Thema Datenschutz, Datenspeicherung und Datenweitergabe im Gesundheitswesen?  

Detlev Spangenberg: Digitalkompetenz gehört sicher zu den Kulturtechniken, die die Menschen heute im Leben erlernen. Die im Alltag erlernten Fähigkeiten und die Alltagsgeräte müssen für die Versicherten aber ausreichen, um mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen umgehen zu können. Digitalisierung ist aber kein Selbstzweck. Bei allen Schritten muss darauf geachtet werden, dass sie für die Beteiligten - das heißt die Ärzte und die Patienten - einen Mehrwert bringen. Ein Beispiel sind die so genannten Gesundheits-Apps: Hier muss unbedingt sichergestellt werden, dass randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt werden, um die Wirksamkeit der App bewerten zu können und Hersteller von Gesundheits-Apps dazu verpflichtet werden, genaue Angaben zur Zielgruppe, Funktionsweise, Wirkungsweise und Zweckbestimmung der Gesundheits-App zu machen. Datenschutz hat dabei für uns einen sehr hohen Stellenwert. Deshalb setzen wir uns stets für dezentrale Datenspeicherlösungen ein.

krankenkasseninfo.de: Krankenkassen konkurrieren wieder stärker über ihren Beitragssatz, für freiwillige Leistungen und andere Extras fehlt das Geld. In welchem Bereich würde die AfD politisch ansetzen, um den Krankenkassen zu breiterem Wettbewerb zu verhelfen?   

Detlev Spangenberg: Wir wollen echten Wettbewerb zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit. Den Gesundheitsfonds wollen wir abschaffen. Die Krankenkassen sollen verschiedene Vertragsmodelle anbieten können. Wer will, soll Beitrag und Leistungen auf dem heutigen Stand belassen können. Für ihn ändert sich nichts. Wer will, soll aber z. B. Leistungen aus dem Versicherungsumfang herausnehmen oder Hausarztmodelle wählen können.


krankenkasseninfo.de: Die derzeitige Bundesregierung hat zum ersten Mal seit 1976 wieder eine gesetzliche Impfflicht eingeführt, um die Masern zu bekämpfen. Die AfD-Fraktion stimmte dagegen, dann kam Corona. Sollten Impfungen weiterhin generell freiwillig bleiben?   

Detlev Spangenberg:  Ja! Impfungen sollen freiwillig bleiben. Das gilt selbstverständlich auch für Corona.


krankenkasseninfo.de: Eine effektivere Immunisierung der Bevölkerung durch Corona-Impfstoffe wird durch begrenzende Patente verhindert. Warum stimmte die AfD dagegen, als es im Gesundheitsausschuss um die zeitweise  Aufhebung der Patente im Pandemiefall ging? Und wie könnte sonst das Impftempo gesteigert werden?  

Detlev Spangenberg:  Ohne Patente keine Innovationen - und wie wichtig die sind, zeigt ja gerade beim Thema Corona. Die Impfstoff-Engpässe sind auch keineswegs durch die Patente bedingt, sondern schlicht durch die begrenzten Produktionskapazitäten. Eine Patentaufhebung kann ich hier gar nichts helfen, sie kann nur schaden.

krankenkasseninfo.de: Die Krankenhauslandschaft in Deutschland ist schon länger im Umbruch. Private Bettenkapazitäten nehmen zu, öffentliche Kliniken werden geschlossen oder sollen zentralisiert werden. Welche Position vertritt die AfD im Klinikstreit und wie würde sie den Pflegenotstand in Kliniken beheben wollen?

Detlev Spangenberg: Die bestehende Finanzierung nach dem Fallpauschalensystem hat sich als Zuteilungs- und Sparsystem mit der „Heckenschere“ erwiesen. Die AfD fordert deshalb die Einführung eines Individualbudgets für Krankenhäuser, um auch in strukturschwachen Gebieten wohnortnah beispielsweise Notfalleinrichtungen, Abteilungen für Geburtshilfe und insbesondere die stationäre Behandlung von Kindern zu ermöglichen. Mit Blick auf die Trägervielfalt fordert die AfD eine Begrenzung privater Träger im Krankenhausbereich bei maximal 60 Prozent. Dass der Bund bei der Klinikfinanzierung teils mit einspringt, ist für die Versorgung wichtig. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass nun die Bundesländer erst recht ihren Verpflichtungen zur Übernahme von Kosten nicht nachkommen. Leistungen des Bundes sind deshalb immer mit denen der Länder zu verknüpfen.

Im Pflegebreich fordert die AfD eine leistungsgerechte angemessene Bezahlung der Pflegekräfte über einen Flächentarifvertrag mit steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen, eine bundeseinheitliche gesetzliche Personaluntergrenze für Pflegeeinrichtungen mit einer Pufferregelung bei deren kurzzeitiger Unterschreitung, regelmäßige Überprüfung der Ergebnis- und Abrechnungsqualität in Pflegeeinrichtungen sowie die Förderung und Finanzierung der Ausbildung zur Pflegefachkraft und nicht nur der Pflegehilfskräfte über das Jobcenter. Weiterhin fordern wir das Fortbestehen der verschiedenen Versorgungsformen und die Förderung altersgerechter Wohnformen. Die generalisierte Pflegeausbildung halten wir für eine Fehlentwicklung zu Lasten der Pflegebedürftigen.

krankenkasseninfo.de: Mehrere Parteien im Bundestag wollen eine Bürgerversicherung einführen und das bestehende System aus gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen dadurch ersetzen. Wie sieht die AfD  die Zukunft der PKV und des bestehenden dualen Systems in der Krankenversicherung?    

Detlev Spangenberg: Wir wollen das duale System beibehalten. Die AfD steht für soziale Marktwirtschaft und gegen Planwirtschaft, gegen Einheitsversorgung und gegen Sozialabbau. Die AfD lehnt Kopfpauschalen und die Bürgerversicherung ab. Stattdessen wollen wir echten Wettbewerb zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in beiden Systemen. Bezüglich der PKV gilt: Heute sind gerade ältere Versicherte, Rentner oder kleine Selbständige, die meist nicht zu den Besserverdienenden gehören, an Versicherungskonzerne gebunden. Das wollen wir ändern. Wir wollen die Mitnahme der Altersrückstellung in der PKV beim Versicherungswechsel für alle ermöglichen.

 

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Im WAHL-SPEZIAL antworteten weitere Parteien u.a. alle im Bundestag vertretenen sowie Volt, PIRATEN, ÖDP, Freie Wähler und Graue Panther.

 

 

WAHL SPEZIAL 2021

 

Michael Hennrich (CDU) Michael Hennrich (CDU)(c) CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
"Impfungen gegen das Corona-Virus bleiben freiwillig" - Michael Hennrich (CDU) im Interview

 

 

 

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Christine Aschenberg-Dugnus (FDP)
"Ohne Veränderungen wird die Gesundheitsversorgung unbezahlbar" - Interview mit Christine Aschenberg-Dugnus (FDP)

 

 

Achim Kessler (LINKE) Achim Kessler (LINKE)(c) LINKSFRAKTION / Bundestag
"Für eine solidarische Gesundheitspolitik"Interview mit Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

 

 

 

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS90/GRÜNE) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS90/GRÜNE)
"Leistungseinschränkungen wird es mit uns nicht geben"Interview mit Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN

 

 

 

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