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Digitalisierung

"Das gibt es bisher noch nicht" - BKK Linde setzt bei Elektronischem Krankenschein auf die Patientenakte

Vorstand Peter Raab zum eAU-Pilotmodell der BKK Linde
veröffentlicht am 18.06.2019 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Peter Raab - Vorstand der BKK Linde Peter Raab - Vorstand der BKK Linde(c) BKK Linde
Wer einen Krankenschein auf Papier erhält, schickt diesen persönlich zum Arbeitgeber und zur Krankenkasse. Die elektronische AU-Bescheinigung (eAU) soll dagegen automatisch vom Arzt versendet werden. Dieses Szenario hält BKK Linde-Vorstand Peter Raab für rechtlich bedenklich. Im Gespräch erklärt er, warum auch der digitale Krankenschein durch die Hände der Patienten gehen sollte und wie die BKK Linde das für ihre Versicherten technisch umsetzt.


 

2019-06-18T12:48:00+00:00
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Herr Raab, einer ihrer Versicherten hat dieser Tage, wie Sie als Krankenkasse berichten, die erste „echte“ elektronische AU-Bescheinigung erhalten. Inwieweit lässt sich denn bei diesem arbeitsrechtlichen Dokument in „echt“ und „unecht“ trennen?

Ganz einfach. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird vom Arzt direkt aus dem Arztinformationssystem (AIS) als strukturierter Datensatz in die Patientenakte des Versicherten ausgestellt. Das gibt es bisher noch nicht. Andere Pilotprojekte senden die eAU direkt vom Arzt zur Krankenkasse. Die Einbindung des Versicherten ist da nicht vorgesehen. Lässt man aber das aktive Mitwirken des Versicherten aus, wirft das aus unserer Sicht eine Reihe von rechtlichen und organisatorischen Fragen auf. Besonders dann, wenn Sie den Teil des Musters 1b für den Arbeitgeber digitalisieren wollen.

"Andere Pilotprojekte senden die eAU direkt vom Arzt zur Krankenkasse.
Die Einbindung des Versicherten ist da nicht vorgesehen."

Das „echt“ oder „unecht“ bezieht sich aber besonders auf unser heutiges Verständnis von Digitalisierung. Mal ehrlich. Ein Bild der Krankmeldung abzufotografieren um es dann wieder den Scan-Prozessen der Kasse zuzuführen. Das war vor einigen Jahren eine echte Innovation. Aber aus heutiger Sicht klingt das irgendwie absurd, wenn man die Daten schon direkt vom Arzt haben kann. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und entwickeln es mit einer klaren Vorstellung weiter.


Für das Verfahren das sie beim elektronischen Krankenschein anwenden betonen Sie eine 'aktive Einbindung' der Versicherten. Was genau dürfen die Versicherten selbst bei Ihrer Krankschreibung selbst tun?

Das Gleiche was sie heute tun. Die Aufgabe des Versicherten ist, die Krankmeldung aus der Patientenakte heraus an die Krankenkasse zu versenden. Damit bleibt die Datenhoheit beim Versicherten. Er entscheidet, ob und wann die Krankmeldung weitergegeben wird. Einerseits ist das gelebte Patientensouveränität, andererseits auch notwendig. Denn lässt der Versicherte seine Krankmeldung direkt vom Arzt zur Krankenkasse versenden, haftet der Arzt für den Fall, dass die AU nicht ankommt. Das nennt man Botenhaftung. Hinzu kommt, dass ein eventueller Schaden für nicht gezahltes Krankengeld noch nicht überschaubar ist.

"Lässt der Versicherte seine Krankmeldung direkt vom Arzt zur Krankenkasse versenden, haftet der Arzt für den Fall, dass die AU nicht ankommt."

Ermöglichen wir jedoch den digitalen Versand an den Arbeitgeber des Versicherten, kann das unter Umständen ernsthafte, arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer nach sich ziehen. Dafür möchten weder der Arzt noch ich, als Vorstand der BKK Linde, geradestehen müssen.


Welche Vorteile für die Versicherten sehen Sie – außer der wichtigen Papierersparnis – durch die Digitalisierung des Krankenscheins?

Wissen Sie, die Papierersparnis ist leider noch gar nicht vorhanden. Selbst wenn wir den optimalen Fall annehmen, dass die Krankenkasse und der Arbeitgeber die AU digital annehmen, bleibt es bei einem Papierausdruck. Wenn der Bundesmantelvertrag der Ärzte das zukünftig anders regelt, haben wir auch dieses Ziel erreicht.

"Neben der eAU kann der Arzt auch Befunde, Diagnosen oder Medikamente direkt aus dem Arztinformationssystem in die Akte übersenden."

Die Vorteile sehe ich viel weitgreifender als die reine eAU. Hier sprechen wir von dem ersten relevanten, großen Prozess. Der macht die Digitalisierung an der Schnittstelle Arzt, Patient und Krankenkasse schnell erlebbar. Ich denke aber so richtig spannend wird es, wenn wir Formulare, wie Fahrtkosten- und Reha-Anträge, Zuzahlungsbefreiungen oder Heil- und Kostenpläne mit der Ärzteschaft über strukturierte Daten austauschen. Jetzt können Sie erkennen, warum wir uns so viel Mühe mit der aktiven Einbindung des Versicherten machen.

Bereits heute haben die Versicherten aber schon einen weiteren entscheidenden Vorteil bei unserer Lösung. Neben der eAU kann der Arzt auch Befunde, Diagnosen oder Medikamente direkt aus dem Arztinformationssystem in die Akte übersenden. Wenn der Patient das möchte, kann er diese wiederum an andere Leistungserbringer weiterleiten. Das macht eine Therapie transparent und effektiv.

Bislang machte beim Thema eAU vor allem ein privates Unternehmen mit einer Krankenschein-App für Ferndiagnosen von sich reden. Das sorgte vor allem bei Ärzten für Stirnrunzeln. Wie sehen Sie bei der BKK Linde die mögliche Verknüpfung von Telemedizin und digitalem Krankenschein?

Die Idee des privaten Unternehmens ist sehr gut. Auch die Ärzte würden sofort einen großen Nutzen sehen, wenn sie nicht mehr jeden Schnupfen im Wartezimmer sitzen haben. Die Umsetzung über den Messenger WhatsApp sehe ich jedoch als mindestens zweifelhaft. Aber wir müssen uns im Gesundheitswesen an die eigene Nase fassen, weil wir den Raum für dieses fragwürdige Geschäftsmodell geben.

"Wir verändern uns nicht schnell genug in die Richtung der Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft".

Wir verändern uns nicht schnell genug in die Richtung der Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft. Dazu zählt auch einfach eine gelebte Telemedizin die einen digitalen Krankenschein ausstellt. Genau diese Vision können wir mit unserem Technologiepartner bedienen. Aber auch wir werden noch eine Weile bis zu diesem Zielszenario benötigen


Wie bei der Patientenakte auch fallen bei der elektronischen AU personenbezogene Daten an. Wie und wo werden diese bei Ihrem Modell gespeichert und wie ist der Zugriff darauf geregelt?

Wir setzen auf unseren Technologiepartner CompuGroup Medical (CGM). Die Verschlüsselung der Medical Cloud, in der die Daten des Patienten gespeichert sind, ist mehrfach patentiert und geprüft. Das der Server-Standort für die sensiblen Daten Deutschland ist, steht natürlich außer Frage. Weder wir als Krankenkasse, noch die CGM als Anbieter haben Zugriff auf die Inhalte der Akte.

"Hier steckt viel Know-How drin"

Die Daten der eAU werden direkt in der Arztpraxis verschlüsselt und erst wieder im Rechenzentrum der BKK Linde, am Versicherungsadapter der CGM, entschlüsselt. Von da werden sie direkt in das BITMARCK_21c|ng  übertragen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Authentifizierung des Patienten in der Arztpraxis. Hier steckt viel Know-How drin, damit die Behandlungsdaten auch die richtige Patientenakte erreichen.

Herr Raab, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

 

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