"Das können wir nicht zulassen"
Mit einer Petition protestieren die Verbände der Psychotherapeuten gegen das neue Termin- und Servicegesetz der GroKoDer Gesetzgeber begründet sein Vorhaben mit einer Verbesserung der Terminversorgung. Warum sehen die Verbände hier Gefahren für den Zugang zu Therapieangeboten?
Der nun vorliegende Gesetzentwurf gefährdet die Erfolge der erst 2017 eingeführten Psychotherapeutischen Sprechstunde. Obwohl dieses Angebot erst seit kurzem in der Versorgung gesetzlich Versicherter etabliert wurde, hat es bereits jetzt schon die Versorgung erheblich verbessert. So hat sich die durchschnittliche Wartezeit auf ein Erstgespräch halbiert. Auch die Zeit bis zum Beginn einer psychotherapeutischen Akutbehandlung konnte verkürzt werden.
"In dem Gesetzesentwurf wird den Versicherten zugemutet, ihre Beschwerden zunächst einer Person vorzutragen. Diese Person würde ihn dann aber nicht behandeln, sondern nur weiter verweisen."
Die Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen belegen diesen positiven Trend. Hunderttausende Menschen nahmen in jedem einzelnen Quartal die Sprechstunde in Anspruch und die Zahl der Behandlungen konnte erhöht werden. Eine Veränderung, die diesen gerade eingeführten niedrigschwelligen Zugang wieder verschließt, wäre für die Versorgung fatal und würde gerade psychisch kranke Menschen benachteiligen, die es meist sehr schwer haben, sich Hilfe zu suchen.
In anderen medizinischen Bereichen gibt es auch eine Trennung zwischen einer überweisenden Stelle und einer späteren Behandlung durch Spezialisten. Warum ist das so genannte Erstzugangsrecht für die Klienten so wichtig?
In einer Psychotherapie öffnen Sie sich der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten gegenüber und geben ihre (oftmals geheimsten) Gedanken und Gefühle preis. Das Fundament psychotherapeutischer Diagnostik, Intervention und heilender Psychotherapie ist eine vertrauensvolle Patient-Therapeut-Beziehung.
In dem Gesetzesentwurf wird den Versicherten zugemutet, ihre Beschwerden zunächst einer Person vorzutragen. Diese Person würde ihn dann aber nicht behandeln, sondern nur weiter verweisen. Beim zugewiesenen Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin muss erneut eine Anamnese erhoben werden und Patienten müssen ihre Krankheitsgeschichte ein weiteres Mal vortragen. Das ist nicht zumutbar, jedoch können die Psychotherapeuten nur auf diese Weise eine individuelle angepasste Behandlungskonzeption mit ihren Patienten entwickeln.
"Für Patienten würde diese Zuweisung eine neue, unnötige Hürde bedeuten."
Es muss hier auch geprüft werden, ob das angewendete Verfahren für Patienten passt. Ein „Zuweiser“ kann diese grundlegenden Faktoren nicht vorab feststellen, das geht nur im direkten Kontakt mit dem Psychotherapeuten. Für Patienten würde diese Zuweisung eine neue, unnötige Hürde bedeuten, um eine für sie notwendige Behandlung beginnen zu können. Das können wir nicht zulassen, unsere Patienten kostet es Überwindung ihre Beschwerden zu äußern und haben es ohnehin oftmals sehr schwer, sich in eine erste Diagnostik und Behandlung zu begeben.
Die Versicherten haben derzeit zwar das Recht, sich ohne Überweisung einen Therapeuten für Probesitzungen zu suchen, finden aber oft monatelang keinen freien Termin. Wie ließe sich denn ohne eine Einschränkung beim Erstzugang hier etwas verbessern?
Der Gesetzgeber hat eine Begrenzung für die Zulassung von Psychotherapeuten eingeführt, die der Notwendigkeit der Behandlungen von psychischen Erkrankten nicht entspricht. Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen unterscheidet sich in ländlichen und städtischen Regionen kaum. Dennoch differieren die Verhältniszahlen (Einwohner/Psychotherapeut) in den Planungstypen städtischer, ländlicher und angeblich durch Städte mitversorgter Regionen erheblich.
"Es stehen genug approbierte Psychotherapeuten bereit."
Weitere Korrekturen und gezielte Verbesserungen der Bedarfsplanung müssen jetzt erfolgen. Die „Bedarfsplanung“ ist so zu reformieren, dass für notwendige Behandlungen auch ausreichend Behandler zur Verfügung stehen. Es stehen genug approbierte Psychotherapeuten bereit, die dann für die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter eingesetzt werden können.
Auf welchem Weg werden Sie die Petition im Bundestag übergeben und an wen genau?
Wir Psychotherapeutenverbände werden am Donnerstag, den 13. Dezember im Paul-Löbe-Haus die Petition an Herrn Marian Wendt, MdB und neuer Vorsitzender des Petitionsausschusses, übergeben. Wir gehen davon aus, dass bei der 1. Lesung am gleichen Tag der Bundestag für die psychisch kranken Menschen den richtigen Weg beraten und schließlich entscheiden wird, den § 92 Abs. 6a (neu) SGB V aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf ersatzlos zu streichen.
Die Petition zeichneten bislang mehr als 147.000 Menschen. >>LINK zur Petition
Teilnehmende Verbände:
AGHPT – Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie
AVM – Arbeitsgemeinschaft für VerhaltensModifikation
BKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und –therapeuten
BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
BDP – Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
bvvp – Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten
D3G – Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie
DFP – Deutscher Fachverband für Psychodrama
DFT – Deutsche Fachgesellschaft für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie/Psychodynamische Psychotherapie
DGAP – Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie
DGIP – Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie
DGK – Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie
DGPT – Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie
DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie
dgsps – Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie
DGVT – Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie
DPV - Deutsche Psychoanalytische Vereinigung, Zweig der IPA
DPG – Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft
DPGG – Deutsche Psychologische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie
DVT – Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie
GNP – Gesellschaft für Neuropsychologie
GWG – Gesellschaft für personenzentrierte Psychotherapie und Beratung
SG – Systemische Gesellschaft
VAKJP – Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
VIVT – Verband für Integrative Verhaltenstherapie
VPP – Verband Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
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