"Arbeitgeber sollten ein Interesse an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem haben"
Interview mit Dr. Wolfgang Matz, Vorstandsvorsitzender der Kaufmännischen Krankenkasse
Herr Dr. Matz, bei Ihrem Amtsantritt vor drei Quartalen haben Sie angekündigt, sich zuallererst für die Belange der Versicherten einsetzen zu wollen. Mit welchen konkreten Schritten haben Sie dem Nachdruck verliehen?
Wir haben uns zum Beispiel – zusammen mit anderen Kassen – erfolgreich für die Parität beim Zusatzbeitrag eingesetzt. Mit diesem wichtigen Schritt bin ich aber noch nicht zufrieden. So entwickeln wir ein Modell, bei dem die Arbeitgeber keinerlei Anreiz mehr haben sollen, ihre Arbeitnehmer aus finanziellen Gründen bei der Wahl der Krankenversicherung zu beeinflussen.
Weiterhin unterstützt die KKH eine Abänderung bei der Doppelverbeitragung der Betriebsrenten. Aus der Freigrenze muss ein Freibetrag werden. Auch wenn uns Krankenkassen das belastet, so ist es dennoch ein richtiger Schritt, der zur finanziellen Entlastung führt.
Für unsere eigenen Kunden ist natürlich das Wichtigste, dass wir bei weiterhin guten Leistungen den Beitrag für unsere Mitglieder in diesem Jahr stabil halten können. Außerdem sind wir dabei, unsere wesentlichen Prozesse vom Kunden ausgehend neu zu gestalten, zum Beispiel über ein modernes Online-Servicezentrum oder über die Möglichkeit einer Videoberatung zu medizinischen Fragen mit Experten der Gesundheitshotline.
Sie sprechen es bereits an, auch die Politik hat sich um die Versicherten gekümmert und ein Entlastungsgesetz zur Parität auf den Weg gebracht. Was würden sie den Arbeitgebern entgegnen, die das als ungerecht kritisieren?
Arbeitgeber sollten ein Interesse an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem haben, denn sie profitieren von arbeitsfähigen, gesunden Beschäftigten. Deshalb ist es nur legitim, dass sie sich auch an den steigenden Kosten im Gesundheitswesen beteiligen.
Es ist auffallend, dass man von der sonst so wortgewandten Arbeitgeberlobby nur Schweigen vernimmt, wenn es um ausufernde Kosten im Gesundheitswesen geht. Die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land sind die Grundlage unserer guten Wirtschaftskraft in Deutschland. Zur ausgewogenen Weiterentwicklung brauchen wir die Beteiligung aller Kräfte.
Der Gesundheitsminister Jens Spahn möchte per Gesetz die Rücklagen der Kassen auf eine Monatsausgabe beschränken. Wie gehen Sie mit dieser Ansage um?
Die hohen Rücklagen mancher Krankenkassen sind ja auf Fehlverteilungen aus dem Morbi-RSA zurückzuführen. Im Grunde genommen gehören die Rücklagen damit eigentlich allen Beitragszahlern und nicht nur den Mitgliedern einer finanzstarken Kasse. Deshalb fordern wir in erster Linie, diesen Verteilmechanismus zu reformieren. Finanzstärke ist in der heutigen Finanzierung der Krankenkassen eben nicht zwingend ein Zeichen für ein gutes Management.
Als Sie die Nachfolge von Ingo Kailuweit an der Spitze der KKH antraten, haben Sie den Wettbewerb der Kassen untereinander bejaht, diesen aber zugleich als unfair bezeichnet. Wie sähe aus Ihrer Sicht ein fairer Wettbewerb aus?
Wettbewerb unter Krankenkassen ist gut und richtig, aber die derzeitige Verteilung der Gelder unterbindet einen fairen Wettbewerb. Im Sport wäre kein Wettkampf denkbar, bei dem eine Mannschaft systematisch aufgrund der Regelgestaltung oder -auslegung vom Schiedsrichter anders behandelt wird als die andere.
Genau diese Situation aber haben wir – stark verallgemeinert – zwischen AOKn einerseits und Ersatzkassen sowie den meisten Betriebs- und Innungskrankenkassen andererseits. Hier erwarten wir von der neuen Bundesregierung dringend Änderungen. Um es auch klar zu sagen: Es geht dabei nicht darum, alle Unwuchten bis ins Detail zu beheben. Die wesentlichen Verwerfungen und Manipulationsfolgen sind zu beheben.
Das Thema Gesundheitspolitik wird meist über monetäre Zahlenspiele in der Gesellschaft ausgetragen. Welche neuen Impulse wünschen Sie sich als Theologe in dieser Debatte?
Im Theologie-Studium lernt man, sich aus unterschiedlichsten Perspektiven eine Meinung zu bilden. Ich hole Rat ein, höre mir möglichst wertfrei verschiedene Positionen an und fälle daraus eine Entscheidung. Im Berliner Politikbetrieb tritt dieser faire und respektvolle Umgang manchmal hinter Machtfragen zurück. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die Lebensqualität von Patienten nach einer Therapie und Fragen der sozialen Gerechtigkeit stärker in den Mittelpunkt der Diskussionen rücken.
Herr Dr. Matz, wir bedanken uns für dieses Gespräch!
KKH Kaufmännische Krankenkasse
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